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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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»Heil Nome, Gott der Kinder, Führer von Jair dem Pilger. Betrachte diese Pilger mit Gnade im Herzen und Gerechtigkeit in der Seele. Führe die Füße dieser Pilger auf den rechten Pfad der Ehre, damit alles geschehen möge, um dich und deinesgleichen unter den Tausend Göttern zu ehren. Diese Pilger bitten um die Gnade deines Segens, Nome, Gott der Kinder.«
    Berylina hörte erneut Nomes hohes Flöten, aber seine Melodie klang nun klagend, vergänglich. Sie sah sich unwillkürlich in der Kathedrale um, um die anderen Andächtigen zu betrachten, um zu sehen, ob noch jemand die Noten gehört hätte.
    Anscheinend nicht.
    Nachdem der Heilige Vater Dartulamino das traditionelle Totengebet an Nome beendet hatte, verlegte er sich darauf, die übrigen Götter anzurufen. Da war natürlich Tak, der Gott der Spinnen, zu Ehren der trauernden Mutter. Berylina hörte eine Fanfare, wie ein Jagdhorn in den Wäldern. Da war Fen, der Gott der Gnade. Berylina roch frisch gebackenes Brot, heiß aus dem Ofen kommend. Der Priester rief Ote an, den Gott des Friedens, und Berylina blinzelte in das schimmernde Gold eines Sommersonnenuntergangs.
    Und dann rief der Priester natürlich Tarn an. Berylina sank mit den anderen Andächtigen auf die Knie, von Wogen Grün und Schwarz umhergestoßen. Sie war sich bewusst, dass sie auf Marmor kniete. Sie war sich bewusst, dass sie ein einfaches, grünes Seidengewand trug. Und doch schien alles vor ihren Augen anders, schimmernd, von dem Gott bemächtigt.
    Berylina rezitierte das vertraute Gebet, ließ die einzelnen Worte über ihre Zunge rollen, ohne auf sie zu achten. Der letzte Satz hallte in der Kathedrale wider, von Hunderten von Andächtigen gehaucht: »Diese Pilger bitten um die Gnade deines Segens, Tarn, Gott des Todes.«
    Berylina sah Königin Mareka durch ihren schimmernden Nebel zur Seite sinken, von heftigem Schluchzen überwältigt. König Halaravilli wollte einen Arm um seine Frau legen, wollte ihr wieder aufhelfen, aber die Königin war zu sehr außer sich. Der Heilige Vater biss die Zähne zusammen und gab zwei grün gekleideten Caloyas ein kaum wahrnehmbares Zeichen vorzutreten und zu helfen.
    »Es ist nicht fair!«, klagte die Königin auf dem Marmorboden. »Tarn nimmt zu viel! Er hat schon genügend viele meiner Kinder! Die Himmlischen Tore tropfen vom Blut dieser Kinder!« Die frommen Frauen versammelten sich um die Königin, tätschelten mit sanften Händen ihre schwarz bekleideten Arme. Die Königin wich jedoch vor deren grüner Kleidung zurück, als würde die Berührung der Frauen sie verbrennen. Sie kämpfte sich auf die Knie und hob dem Heiligen Vater eine abwehrende Faust entgegen. »Es ist nicht fair, Priester! Kein Gott sollte dies von einer Mutter verlangen!«
    Pater Dartulamino sprach sanft. »Die Götter verlangen nicht, Euer Majestät.«
    »Das ist zumindest wahr!«, rief Königin Mareka. »Sie verlangen nicht. Sie nehmen! Sie stehlen! Sie ermorden unschuldige Babys!«
    »Niemand wurde ermordet, Euer Majestät.«
    »Erzählt das meinen Kindern! Erzählt das den Leichnamen, die draußen auf den Scheiterhaufen warten. Erzählt das…« Die Königin brach ab, die Worte in hysterischem Schluchzen verloren, während sie erneut auf dem Marmorboden zusammenbrach. König Halaravilli ragte über ihr auf, wollte eine Hand tröstend auf ihre Stirn legen. Die Königin wich jedoch vor ihm zurück, wand sich wie ein Fisch an der Angel. Ihr Schluchzen stieg zur Decke des Querschiffs auf, erfüllte die Kirche mit dem reinen Leid verwehrter Mutterschaft.
    »Mylady…«, sagte der König. »Bitte, Mareka. Bitte…«
    Die Königin achtete jedoch nicht auf die geflüsterten Worte ihres Ehemannes. König Halaravilli blickte verstört zum Heiligen Vater, zu den Caloyas, die sich noch immer fruchtlos um seine Frau scharten.
    Sie verstanden nicht. Sie wussten nicht, wie die Gedanken Mareka Octolaris arbeiteten.
    Berylinas Mund füllte sich jäh mit dem Geschmack von Pfirsich. Das Aroma wogte über ihre Zunge, umkleidete ihre Kehle, als hätte sie in die reifste Sommerfrucht gebissen. Sie hielt bei der Reinheit des Geschmacks den Atem an, bei der reinen Macht des Gefühls. Welcher Gott war dies? Sie erinnerte sich nicht, seine Berührung schon einmal gespürt zu haben, seine berauschende Art schon einmal geschmeckt zu haben.
    Sie suchte in ihren Gedanken, beruhigte den stillen, kleinen Ort in ihr, wie Pater Siritalanu es sie gelehrt hatte. Sie atmete tief ein, sammelte erneut die Essenz des

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