Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
Pfirsichs, rollte sie über die hintere Zunge. Da… Beinahe… Nim! Der Gott des Windes.
Berylina sprach im Geiste hastig ein Gebet. Heil Nim, Gott des Windes. Willkommen in diesem all den Tausend Göttern geweihten Haus.
Sie zögerte kaum, als die Macht des Gottes sie einhüllte. Nim griff in ihre Gedanken ein, nahm ihr Gebet mit gierigen Fingern auf. Er wirbelte durch ihr Bewusstsein, hüllte sie in das Aroma des Pfirsichs ein, in die überwältigende Essenz der Frucht.
Nim. Die ungezügelte Macht der Winde, die über die Hochebenen Liantines wehten. Die Macht, die das lange, grüne Gras in sich kräuselnden Wellen niederdrückte, wie Falte um Falte weichster Seide… Nim, der die Spinnengilde in Liantine umschlungen hatte, der die Feste im Griff des Sturms geborgen hatte, im Fluss des täglichen Lebens. Nim, der der Trost jedes Mitgliedes der Spinnengilde wäre, auf immer und ewig. Nim, der zugesehen hatte, wie ein junger Lehrling im Schutz ihrer Familie und der Handwerker aufwuchs, der zugesehen hatte, wie eine junge Frau die Bedeutung ihres Lebens entdeckte und gestaltete.
Berylina war sich kaum der Menge hinter sich bewusst, als sie auf das Podest trat. Sie schob sich am Heiligen Vater vorbei, am König ganz Morenias. Sie sah kaum, wie ihre Hände zwischen denen der grün gekleideten Caloyas entlangstreiften, erkannte nur vage, dass sie sich vor den Altar kniete. Neben ihre Königin kniete.
Das Aroma des Pfirsichs überflutete ihren Mund, strömte durch ihren Körper, beherrschte ihr Herz, ihre Lungen und ihren Verstand. »Mylady«, flüsterte sie. »Ihr müsst Kraft schöpfen, Euer Majestät.«
»Da ist keine Kraft!«
»Da ist Kraft, Mylady.« Berylina streckte eine Hand aus, legte ihre Fingerspitzen an die Lippen der verzweifelten Frau. Sie spürte die Macht Nims durch sich hindurchfließen, spürte die Berührung des Pfirsichs Königin Mareka streifen, so deutlich, als tropfe Nektar auf die königlichen Lippen. »Da ist Kraft, Mylady. Kraft in Nim.«
»Nim…«
»Der Gott des Windes, Euer Majestät. Er wacht schon über Euch, seit Ihr ein Kind wart.« Berylina hörte den Gott in ihrem Kopf, verstand die Worte, die er flüsterte. »Er hat Euch zuvor stark erlebt. Er weiß um Euer Innerstes. Er weiß, dass Ihr diesen Verlust bewältigen könnt. Ihr könnt Euch jetzt erheben. Ihr könnt tun, was getan werden muss.«
Die Königin schrie nur vor Schmerz auf, ihr Gesicht, ihre Hände, jede Faser ihres Körpers von Verheerung gezeichnet.
Berylina schloss ihre schielenden Augen, nahm die Vision in ihren Geist auf. Wie oft hatte sie dies getan? Wie oft hatte sie den verzerrten Blick auf die Welt ausgeschlossen, die Anblicke, die unzuverlässig durch ihren schielenden Blick zogen? In der Dunkelheit ihrer Innensicht konnte sie eine Kind-Mareka erkennen, die auf einer Bettstelle kauerte, ein verängstigtes Mädchen, ein Lehrling, der zum ersten Mal fern seiner Familie war. Sie sah dasselbe Kind in den Riberryhainen der Spinnengilde stehen, als sie Angst hatte, auf einen Baum zu klettern. Sie sah das Mädchen eine Hand ausstrecken, um einen hungrigen Octolaris zu füttern. Bei jeder dieser Prüfungen war die Kind-Mareka von Wind umhüllt gewesen, von Nim unterstützt worden, selbst wenn sie sich der Gegenwart des Gottes nicht bewusst gewesen war.
Berylina zwang Stärke in ihre Stimme, ließ ihre innere Überzeugung ihre Worte mehr festigen, als sie es je zuvor gewagt hatte. Sie verkündete: »Nim war bei Euch, Mylady. In der Gilde stand er vom ersten Tag an neben Euch, als Ihr Euren Lehrlingsschwur leistetet. Denkt an den Wind auf der Hochebene. Denkt an die Berührung des Gottes, während er auf Euch herniederlächelte.«
Königin Mareka beruhigte sich, ihr Schluchzen erstarb, während sie Berylinas Worten lauschte. Die Königin fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als nehme sie den süßen Nektar von Berylinas Visionen auf. »Das tat er«, flüsterte sie. »Er hat über meine Einführung in die Gilde gewacht.«
»Er hat über alles gewacht, was Ihr getan habt. Bei all den schwierigen Wahlen, die Ihr jemals getroffen habt. Er kam gerade zu mir, Euer Majestät. Er kam, um mich daran zu erinnern, um Euch daran zu erinnern, dass Ihr diese schreckliche Angelegenheit bewältigen könnt. Ihr könnt die Kraft finden. Ihr müsst die Kraft finden.« Die Königin streckte Berylina die Hände entgegen, und die Prinzessin half der anderen Frau hoch. »Nim wird über Euch wachen, Mylady. Er wird Euch nicht im
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