Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
ein Gefäß mit schwärzester Tinte. Er nahm sich Zeit damit, die Schreibutensilien auf seinem Tisch anzuordnen, versicherte sich, dass jedes Symbol ordentlich aufgereiht war, dass alles an seinem richtigen Platz lag.
Er räusperte sich einmal, tauchte dann den Kiel ein und ließ die überflüssige Tinte in das Gefäß zurücktropfen. »Dein Name also, Pilgerin?«
»B-berylina.« Sie stotterte, während sie ihre Antwort formulierte. Niemals zuvor hatte ihr Name eine solche Bedeutung gehabt.
»Und deine Heimat, Pilgerin?«
Sie hielt inne. Sie konnte nicht Liantine nennen, nicht den Ort ihrer Geburt, der sie aufgegeben hatte, der sie auf den blutigen Pfad zum Glauben gedrängt hatte. Also Morenia. Das war ihre Heimat. Sie hatte immerhin Halaravilli ben-Jair die Treue geschworen. Sie spürte, wie sich Pater Siritalanu hinter ihr regte, und sie erkannte, dass sie wahrheitsgemäß antworten konnte. »Morenia.«
»Gut, Berylina Pilgerin von Morenia. Du wirst mit deiner Pilgerreise fünf bestimmte Götter ehren, fünf bestimmte Götter unter all den Tausend. Sie werden über deine Schritte wachen. Sie werden deine Worte und deine Anbetung leiten. Sie werden dich beschützen und dir dein restliches Leben Halt geben, wenn du sie hier in Brianta zufrieden stellst. Wer ist der erste Gott, den du auf diese Art ehren willst?«
Berylina hatte natürlich über diese Angelegenheit nachgedacht. Sie hatte über die Bedeutung ihrer Pilgerreise nachgesonnen, über die besonderen Götter, die in ihrem Leben zu ihr gesprochen hatten. Sie hatte einige ihrer Lieblingsgötter sehr ins Herz geschlossen, wohl wissend, dass sie ihren Glauben bereits erkannt hatten, dass sie bereits wussten, dass sie sie in allen Dingen als unumschränkt anerkannte. Daher brauchte sie Nome auf dieser Pilgerrolle nicht zu ehren. Sie brauchte sich nicht nach Kel, oder Par, oder Glat auszustrecken.
Sie hatte viele Male mit Pater Siritalanu darüber gesprochen, die Möglichkeiten erkundet. Er hatte sanft vorgeschlagen, sie solle sich einigen der grundlegenderen Götter weihen. Immerhin, hatte er erklärt, sei sie erst sechzehn Jahre alt. Sie hatte ihre Berufung gezeigt. Sie hatte ihre Hingabe an all die Tausend Götter bewiesen. Es würde in ihrer Zukunft gewiss noch andere Pilgerreisen geben, andere Gelegenheiten zu zeigen, dass sie den herausfordernderen Göttern geweiht war.
Berylina hatte sich jedoch gegen einen solchen Gedanken gewehrt. Sie würde nichts erreichen, wenn sie älter war, was sie nicht jetzt tun konnte, zumindest in Bezug auf die Tausend Götter nicht. Sie sprachen schon zu ihr, seit sie ein Kind war, seit ihr erstes Kindermädchen ihr die Augen und Ohren und das Herz für ihre majestätischen Gegenwarten öffnete. Sie kannte sie bereits.
Sie hatte Pater Siritalanu zugehört, und sie hatte genickt und ihre Stirn auf die Art gefurcht, die, wie sie sich vor langer Zeit verständigt hatten, bedeutete, dass es ihr ernst war, dass sie über die Bedeutung seiner Worte nachdachte. Sie sagte ihm, dass sie die Angelegenheit noch weiter überdenken würde, die Möglichkeiten weiterhin abschätzen würde.
Und sie hatte ihre eigenen Wahlen getroffen.
Veränderung. Das war es, was sie beherrschen wollte. Das war es, was sie erkunden wollte. Die Pilgerreise würde ihr Leben verändern, ihren Glauben verändern, die Welt um sie herum verändern. Daher würde sie sich auf Götter der Veränderung konzentrieren.
Es hatte sie überrascht zu erfahren, dass es keinen einzigen Gott der Veränderung gab. Sie hatte gedacht, das Konzept wäre so grundlegend, beim Aufbau und Abriss der Welt so inbegriffen, dass es eine dem und nichts sonst geweihte Gottheit geben müsste.
Aber sie hatte die Schriftrollen in Morenia studiert, die langen Auflistungen all der Götter. Sie hatte Bücher gelesen, die von großen Philosophen geschrieben wurden. Sie hatte sich durch Worte und Konzepte gekämpft, die weit über ihre Ausbildung hinausgingen. Schließlich hatte sie sich dazu durchgerungen, Siritalanu zu fragen.
Er hatte als Antwort die Achseln gezuckt. Es gab viele Konzepte, die unter den Göttern nicht anerkannt waren. Eintausend war eine Ehrfurcht gebietende Anzahl. Sie konnte jedoch nicht alle Dinge aus dem Erfahrungsschatz der Menschen umfassen. Es gab keinen Gott der Veränderung. Berylina hatte diese Tatsache wohlwollend angenommen. Wer war sie, dass sie die Weisheit des Ersten Gottes Ait in Frage stellen wollte? Wer war sie, dass sie das Pantheon neu zählen
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