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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Sie atmete den Moment ein, in dem sich seine Finger um den Riegel schlossen. Sie nahm die Macht seiner sich um das Eisen schließenden Faust auf.
    Als sich die Tür öffnete, strömten Licht und Luft und klare, frei fließende Gedanken herein. Berylina begrüßte die Freiheit keuchend. Sie hatte sich Brianta als staubige Stadt vorgestellt, in ihrer Sommerdürre welk, aber nun glänzten die Straßen in Klarheit. Sie stolperte aus dem Tempel auf den Weg.
    »Kommt, Berylina. Kommt mit mir.« Pater Siritalanu sprach in einem Tonfall, den sie vor langer Zeit gehört hatte, eine drängende Ausdrucksweise, an die sie sich aus der Zeit erinnerte, als sie sich in Liantine das erste Mal begegnet waren. Damals hatte er sie gezogen, sie vorwärts gedrängt. Er hatte ihr die Kraft gegeben, der Gehörnten Hirschkuh zu entfliehen, die Tausend zu umarmen. Er hatte für ihre verirrten und umherwandernden Füße einen festen Weg geebnet.
    Nun folgte Berylina dem Klang seiner Stimme, staunte über deren kristallklaren Ton. Sie wandte seine Gegenwart im Geiste um und um, von seiner Zuverlässigkeit verzaubert. »Hier, Berylina«, sagte er. »Folgt mir. Wir werden um den Tempel herumgehen. Wir werden mit den Priestern sprechen. Folgt mir. So ist es gut.«
    Sie stolperte neben ihm her, sich nur vage der Menschen bewusst, der Gebäude, der Dinge, an denen sie vorüberkamen. Ihre Finger zitterten, als berge sie noch die weiße Kugel, und sie spürte die Wärme, die Macht, die beschützende Energie Jairs in sich anwachsen und sich ausbreiten.
    Berylina kannte den Verlauf ihrer bevorstehenden Pilgerfahrt. Sie sollte mit einem Priester sprechen. Sie sollte ihren Namen und ihr Heimatland nennen und umreißen, warum sie nach Brianta gekommen war und wen unter den Tausend Göttern sie speziell zu ehren hoffte. Bevor sie jedoch bereit war, ihre offizielle Reise zu beginnen, fand sie sich vor einem uralten Priester stehend wieder.
    Ein Junge stand neben dem alten Mann und reckte sich nach oben, um etwas in eines seiner haarigen Ohren zu flüstern. Das Kind trug die kurze, grüne Tunika eines Akoluthen. Er diente eindeutig in einem der Tempel den Tausend Göttern. Im Hause Jairs, erkannte Berylina, als sie das kleine Abzeichen an der Schulter des Kindes ausmachte, ein gewobenes Symbol einer perfekten, weißen Kugel.
    Das Kind trat zurück, und der alte Priester betrachtete ihre Caloyagewänder und runzelte die Stirn. Furchen waren so tief in seine Wangen gegraben, dass sie dachte, sein Gesicht könne sich spalten. Seine Stimme klang dunkel wie Mahagoni, als er fragte: »Wer tritt vor die Tausend Götter, indem er dem Ersten Pilger Jair spottet?«
    Schon? Wie konnte er es wissen? Dieser Junge! Das Kind musste im Tempel gewesen sein. Er musste gesehen haben, wie sie die heilige Reliquie Jairs berührte. Er musste gesehen haben, wie die Kugel auf sie zurollte, wie die Kerze aufgeflammt war.
    Berylina wusste, dass sie dem Priester antworten musste. Hier konnte Pater Siritalanu nicht für sie sprechen. Sie fühlte sich jedoch einen kurzen Augenblick, als wäre sie selbst noch ein Kind, als kauere sie am Hof ihres Vaters. Sie sehnte sich nach den Kindermädchen, die sie damals gekannt hatte, die treuen Frauen, die sie entlang den dunklen und verwirrenden Pfaden einer Prinzessin begleitet hatten.
    Jene Frauen waren jedoch fort. Eine wurde getötet, als Berylina ihrer unseligen Hochzeit entfloh. Die anderen wurden schon lange zurückgelassen, als Berylina ihr Heimatland im Streben nach all den Göttern verließ.
    Hier war sie allein. Sie musste vor die Tausend und ihren irdischen Vertreter, den Priester, treten.
    Sie trat zu dem alten Mann, vollführte ein heiliges Zeichen über der Brust und schluckte schwer, bevor sie den Mut zu sprechen heraufbeschwor. »Pater, ich bin es, Berylina Pilgerin, die vor Euch steht, aber ich wollte den Ersten Pilger Jair niemals verspotten.«
    »Du hast seine heilige Reliquie berührt, nicht wahr?«
    »Ich betete vor dem Altar des Ersten Pilgers, wie Ihr bitte wissen müsst, Euer Gnaden.« Berylina spürte die solide Ganzheit, die sie empfunden hatte, als die Kugel ihre Finger berührte – sie erinnerte sich an das Gefühl all der Farben, all der Klänge, all der Geschmäcker, all der in ihrem Geist vermischten Empfindungen. Sie sammelte die Kraft dieser Ganzheit und sagte: »Der Erste Pilger Jair kam zu mir, Pater. Er hat mir seine Reliquie dargeboten.«
    Bevor der Priester etwas erwidern konnte, hörte Berylina weitere

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