Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
jedes Mal aufgeschrien, als hätte er sie verletzt. Jedes Mal hörte er sie schluchzen, verzweifelt, verängstigt, alleine.
Er war noch immer König. Er durfte ihrem Geist nicht nachgeben. Er durfte dem Tod nicht nachgeben, gleichgültig wie stark seine Anziehung war.
Er schüttelte den Kopf, blickte zu den erwartungsvollen Gesichtern hinaus, zu den angespannten Körpern der Gaukler in ihren Booten aus gedehntem Leder. Er hoffte, sie würden das Zittern in seiner Stimme der Tatsache zuschreiben, dass er in der Nacht leise zu sprechen versuchte. »Männer«, sagte er, »Ihr seid das erste Glied einer Kette. Heute Nacht wird Eure Arbeit es uns ermöglichen, unseren Hafen zu betreten, den Hafen zurückzufordern, der rechtmäßig uns gehört. Ihr geht mit einer Kraft voran, wie die Menschheit sie noch nie zuvor gesehen hat. Mögen all die Tausend über Euch wachen.«
Hal lehnte sich zurück, ließ Hamid einige eigene Worte äußern. Er dachte, dass der sarmonianische König vielleicht nur seinen negativen Wahlspruch wiederholen würde, dass er sie vielleicht alle daran erinnern würde, dass ihr Plan nicht funktionieren könnte. Der Mann war jedoch aus härterem Holz geschnitzt. Er straffte seine dünnen Schultern und sagte: »Morenianer, meine sarmonianischen Soldaten stehen Euch bei, halten sich am Ufer bereit. Wir erheben uns gemeinsam in einem Kampf, der unser Leben für immer verändern wird. Unsere Kindeskinder werden in aller zukünftigen Zeit von unserem Ruhm erzählen.«
Und dann lehnten sich beide Könige zurück. Sie ließen Davin sich um die Gaukler kümmern, das eilig gestaltete Werk überprüfen, das so viele mutige Seelen unterstützen würde. Der alte Mann hatte die Truppen auf dem langen Marsch nach Norden schikaniert, über großen Knochennadeln und Lederfäden geschimpft. Davin hatte den Gauklern gezeigt, wie man Umrisse aus dem gut gegerbten Leder schnitt, das Hamid aus seiner Schatzkammer hervorgeholt hatte, bevor sie Sarmonia verließen. Er hatte ihnen gezeigt, wie man die Ränder mit einem schnellen Peitschenschlag-Stich zusammenfügte. Kinder waren daran gesetzt worden, Wachs auf die Nähte zu träufeln, die fertigen Ergebnisse einzufetten.
Hätte Hal Davins mechanische Geräte in einem anderen Zusammenhang gesehen, hätte er gelacht. Selbst jetzt, während kräftige Soldaten einen zerbrechlichen Blasebalg bemannten, spürte er völlig unangemessene Belustigung in seiner Kehle aufsteigen. Die Gaukler wirkten, als beschäftigten sie sich mit Spielzeugen, als hüpften sie in einem sommerlichen Springbrunnen.
Aber dies war kein Spiel. Leben standen auf dem Spiel. Tapfere Männer und Frauen gingen voran, um den Hafen zurückzufordern.
Hal beobachtete, wie die Freiwilligen Davins Lederapparate umschnallten, die Hüllen fest um jeden Fuß schlossen. Geölte Bänder wurden um die Waden jedes Gauklers befestigt, die durch in die Hosen genähte Löcher passten. Die Lederbeutel wurden gesichert, erneut geölt, mit Wachs versiegelt.
Und dann setzte sich jeder Gaukler in Davins eigens gestaltetes Seilgeschirr, das über das offene Meer geführt wurde. Jeder wandte sich zu seinem Boot zurück, in dem Hängestuhl lehnend, so dass die Gebläse der Soldaten die kleinen Zugangslöcher finden und das Leder voll Luft pumpen konnten.
In der dunklen Nacht wirkten die Hüllen wie Albtraumfüße, wie an den Beinen der Gaukler befestigte Polster. Die Seltsamkeit wurde durch den letzten Teil von Davins Werk noch betont – ausgewogene Stangen aus leichtem Holz, die jeweils in einer prallen Blase endeten.
Obwohl Hal die Beschreibung der Geräte gehört hatte, obwohl er gelernt hatte, Davins Kreativität niemals anzuzweifeln, war er erstaunt, als er den ersten Mann über das Wasser laufen sah. Der Gang des Gauklers wirkte unbeholfen. Er lief auf dem Meer, wie es ein schwerfälliger Mann an Land tun würde.
»Gleite, du Narr! Gleite!«, erklang Davins gezischte Anweisung von Hals Boot herab. Der Gaukler erstarrte und schien sich umwenden zu wollen, um zu antworten, aber dann beugte er die Knie und vollführte längere Gleitschritte auf der Wasseroberfläche.
Unter anderen Umständen hätte Hal vielleicht gelacht. Er hätte über einen Verstand gestaunt, der sich auf dem Wasser laufende Menschen vorstellen konnte – es sich vorstellen und dann Wahrheit werden lassen konnte. Er hätte vielleicht über das Wunderwerk der Stangen geseufzt – Werkzeuge zur Unterstützung des Gleichgewichts, aber auch eigenständige
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