Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
Waffen. Waffen, die eine in der Blase verborgene, vergiftete Spitze offenbaren würden. Waffen, die gegen die Liantiner gerichtet würden, die auf Schiffen im Hafen schliefen. Waffen, die den Zugang zum Hafen wieder ermöglichen würden, während sie gleichzeitig Verwirrung stifteten.
Du könntest eine jener Stangen nehmen, hörte Hal Mareka sagen. Du könntest die Blase abnehmen und den Dorn in deine Brust versenken. Du könntest dein ganzes Gewicht darauf lehnen. Es würde einen Moment wehtun, aber dann wärst du in Sicherheit. Du wärst hier, jenseits der Himmlischen Tore.
Hal warf den Kopf auf und schob Marekas Vorschlag von sich. Ein anderes Boot stieß gegen seines, und Hal blickte in Farsos ernste Augen. »Kommt, Sire.« Der Lord deutete mit dem Kopf auch auf Hamid. »Mylords, wir müssen gehen, um das landwärtige Heer zu treffen. Während wir hier verweilten, hat es sich außerhalb der Stadt in Position begeben.«
Heer. Das war wohl kaum die richtige Bezeichnung. Einhundert Mann, die Hamid versammelt hatte – jede letzte Seele, die nur unmittelbar ihm und keinem der Wahlmänner Treue schuldete. Einhundert Mann, die Moren noch niemals gesehen hatten, die niemals die Straßen der Stadt beschritten hatten, die sie vor Einbruch der nächsten Nacht zu erobern hofften.
Hal schob seine Zweifel beiseite. Einhundert Mann mussten genügen. Einhundert Krieger, die sich auf Davins Listen verließen. Einhundert Soldaten, die gut genährt waren und sich von ihrem Marsch nach Norden bereits erholt hatten. Wären es mehr als hundert gewesen, hätten sie sich nicht vom Zehnten aus den Scheunen entlang der Straße ernähren können. Wären es mehr als hundert gewesen, hätten Hal und Hamid den Krieg vielleicht bereits vor Beginn der ersten Schlacht verloren.
Das Boot kehrte ohne Zwischenfälle zum Ufer zurück. Unterwegs flüsterte Mareka ihm zu, versicherte ihm, dass sich das Wasser schnell über seinem Kopf schließen würde, dass seine Lungen nur wenige Minuten brennen würden, wenn er ertränke.
Er wehrte seine Frau ab und zwang sich, über Rani Händlerin nachzudenken. Sie hatte das Meer gefürchtet. Er hatte beobachtet, wie sie sich dieser Angst stellte, hatte sie beobachtet, wie sie versuchte, ihren rebellischen Magen zu kontrollieren. Sie war eine tapfere Frau gewesen, tapferer als er. Er versuchte sich davon zu überzeugen, dass die Feuchtigkeit, die er sich vom Gesicht wischte, harmlose Meeresgischt war.
Der kurze Marsch landeinwärts war nur allzu leicht. Die Straßen waren frei, und als von Norden eine leichte Brise heranwehte, konnte Hal den Klang der Pilgerglocke ausmachen, die über die Hügel schallte. Sie würde ihn nun anleiten, schwor er sich. Er würde ihren feierlichen Klang wie ein heiliger Pilger aufnehmen. Wie ein Pilger, der sich mit den Tausend Göttern verband und nach den Himmlischen Toren sehnte.
Hal seufzte und wies noch eine weitere von Marekas Einladungen von sich, wonach er das Kurzschwert seines Leibwächters ergreifen und sich die Klinge ins Herz stoßen sollte.
Er war müde. Müder als er es jemals für möglich gehalten hätte. Wie hatte sein Vater so alt werden können? Wie hatte König Shanoranvilli sich dazu überwinden können, sich jeden Morgen von seinem Bett zu erheben, gleichgültig welchem Chaos er gegenüberstand?
Er bot dem Chaos die Stirn. Er bewies Hirn. Hat er auch Zwirn? Zwirn? Zwirn?
Hal ließ sich von dem Reim die Straße hinabtragen, ignorierte das Murren der Männer neben ihm, zwang die beständige Erwartung eines Rufes von irgendeinem briantanischen Wächter nieder. Die Invasoren hatten doch gewiss Wächter zurückgelassen, nachdem sie sich der Stadt genähert hatten… Sie mussten doch wissen, dass jemand kommen würde, um sie zu vertreiben…
Aber vielleicht war es nicht so. Vielleicht hielten sie sich für vollkommen unangreifbar – und der Gedanke war noch bedrückender. Wenn sich die Briantaner sicher glaubten, wer war Hal dann, dass er sie herausfordern wollte? Vielleicht sollte er Einhalt gebieten, die Soldaten aufhalten, versuchen, vor dem Gemetzel der Schlacht einige wenige Leben zu retten.
Hal schaute nach rechts, zu Farsos grimmigem Gesicht, das in der mondlosen Nacht kaum sichtbar war. Wie könnte Hal jetzt innehalten? Sein Verlust war erst wenige Wochen her. Farso hatte sein Kind jedoch schon vor über einem Jahr verloren, hatte zugesehen, wie seine Frau einem Wahnsinn anheimfiel, der schlimmer war als jeder Tod in einer Schlacht. Wie könnte
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