Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
hält.«
»Aber…«
»Genug. Ihr seid nicht in der Verfassung, heute Abend noch länger zu reden. Tori?« Eine junge Frau trat vor und strich sich ihr mausbraunes Haar aus den Augen. »Bring diese beiden nach oben in den vorderen Raum. Und lass ihnen Brot und Wasser da. Wir werden unser Treffen fortführen und Einzelheiten dessen ausarbeiten, was zu tun ist.«
Hal wollte protestieren, wollte fordern, den Rest der Diskussion hören zu können. Aber noch während er den Kopf schüttelte, erfasste ihn jäh eine Woge der Erschöpfung. Rani wurde an seiner Seite plötzlich sehr schwer, eher eine Last als eine Hilfe. Das Pochen hinter seinen Augen breitete sich zu einer pechschwarzen Wolke aus, und nur tiefe Atemzüge verhinderten, dass er mitten in dem Gasthaus zusammenbrach. »Geht mit Tori«, sagte Zama. »Wir werden morgen früh reden. Alles wird gut. Keine Angst.«
Keine Angst, dachte Hal, während seine bleischweren Füße die Stufen fanden. Tori stützte ihn mit einer Hand, während sie sich gleichzeitig umwandte, um Rani zu helfen.
Keine Bange. Eine Träne auf der Wange. Hat man sie in der Zange?
So, dachte er. Zumindest die Stimmen verhielten sich wieder normal. Er schlief auf einem nach Thymian duftenden Lager ein, während erbitterte Reime durch seine Albträume kreisten, und fragte sich, ob er irgendetwas dadurch gewonnen hatte, dass er zu den Schwestern gekommen war.
10
»Was erwartest du von mir?«, fragte Rani Tovin. »Soll ich mich dir zu Füßen werfen und dir für deine unendliche Freundlichkeit danken?«
Der Gaukler schüttelte den Kopf. »Ranita, ich erwarte nichts Unmögliches. Ich gab nur zu bedenken, dass du nicht zu viel Zeit mit Kella verbringen solltest. Nicht allein. Sie ist nicht zuverlässig.«
»Was? Ihre schwarze Weide ist nicht immer zuverlässig gebraut?«
»Ich sagte es dir«, erwiderte Tovin mit ruhiger Stimme, »schwarze Weide war ein Scherz zwischen uns. Sie erwähnte es dir gegenüber nur, um mich zu beunruhigen.«
»Nicht sehr wahrscheinlich«, murrte Rani und widerstand dem Drang, an dem Schorf an ihren Armen zu kratzen. Keiner der Kräuterhexen konnte man trauen. Ihre Haut begann schließlich von ihrer Begegnung mit den Schwestern zu heilen. Selbst jetzt noch, zwei Wochen, nachdem sie auf dem binsenbedeckten Boden des Blue Rose verhext worden war, fragte sie sich, was genau an jenem Abend geschehen war, was sie dazu getrieben hatte, sich zu verletzen.
Sie blinzelte heftig, als sie sich an den Kreis von Bänken erinnerte. Sie war Hals Blick quer durch den Raum begegnet, hatte zugestimmt, dass sie beide das Getränk des Hexensabbats trinken sollten. Immerhin, hatte sie argumentiert, tranken alle anderen Frauen das Zeug auch ohne Zögern.
Die Geräusche hatten fast sofort eingesetzt – das Flüstern der Götter um sie herum. Der Lärm wurde von Lichtblitzen und geisterhaften Empfindungen auf ihrer Haut abgelöst. Sie hatte hart geschluckt und Myriaden von Geschmäckern auf ihrer Zunge geschmeckt, und als sie den Mund öffnete, um zu sprechen, wurde ihre Nase von Düften erfüllt – angenehmen und unangenehmen, starken und milden.
Die Tausend Götter hatten sie umgeben. Sie hatten jeden ihrer Sinne erfüllt, sie zu überwältigen gedroht. Sie hatten ihren Körper mit ihrer Gegenwart belastet, und Rani war kaum fähig gewesen, die Arme zu heben, den Kopf zu heben, zu den Schwestern zu blicken.
Und dann hatte Zama Yor, den Gott des Heilens, angerufen. Yor, dessen schrumpeliges Gesicht und knotige Finger in Ranis Geist durch die brennende Berührung einer Distel symbolisiert wurden.
Rani war ihm schon einmal begegnet. Sie hatte die leichte Irritation seiner Berührung gespürt. Tatsächlich hatte sie sich gefragt, ob die Anwesenheit dieses Gottes an seine Funktion gebunden war. Ranis Mutter hatte ein Loblied davon gesungen, mit Nesseln die Haut zu streifen, um Fieber herauszuziehen.
Welchen Trost auch immer Yor mit seinen Dornen gebracht haben mochte, so wurde er von der reinen Kraft der Anwesenheit des Gottes in Ranis Geist überwogen. Unterstützt von dem Trank der Schwestern, war Yor so stark, so mächtig… Selbst jetzt, in der Sicherheit der Großen Lichtung, konnte sich Rani erinnern, wie ihre Haut gebrannt hatte. Sie hatte wirklich geglaubt zu sterben, auf dem Boden des Gasthauses getötet zu werden. Der Schmerz war so präzise gewesen, so überwältigend… Sie hätte alles dafür getan, ihn zu stoppen. Sie hatte versucht, alles zu tun, ihre
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