Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
nicht sein, dachte Kella. Sie hätte durch ihre Mühen viel Geld sparen sollen. Sie hätte die nordländischen Soldaten auf der Großen Lichtung umstimmen und sie zu ihrem eigenen Vorteil benutzen sollen.
Jedoch war Kella diejenige, die umgestimmt worden war. Sie war diejenige, die durch ihre Begegnungen mit all den Fremden in ihrer Welt verändert worden war.
Einst war es einfach gewesen. Sie hatte gewusst, wie sie ihre Kräuter benutzen musste. Sie hatte die Rechte eines Ratsuchenden sowie ihre eigenen Verpflichtungen gekannt und nach beiden gelebt. Crestman hatte das jedoch alles zerstört, mit seinen verruchten Händen und seiner langen, scharfen Klinge.
Vielleicht lägen die Dinge anders, wenn Kella fertig wäre. Die Nordländer würden gehen. Die Gefolgschaft würde gehen. Sie würden das Geschenk mitnehmen, das sie für sie dagelassen hatte, sie würden Rani Händlerin mitnehmen, und alles wäre wie zuvor. Alles wäre friedlich und ruhig und wie vorher.
In der Zeit, in der Kella nachgedacht hatte, waren Jalinas Wächter zu einer Entscheidung gelangt. Der erste, derjenige, der sie angerufen hatte, hielt seinen Posten. Der andere führte sie das Ufer hinauf, hinter eine wuchtige Ansammlung von Baumwurzeln. Er klopfte einmal an eine sorgfältig verborgene Tür, und dann trat er zurück.
Jalina öffnete selbst, als wäre sie eine gewöhnliche Frau, als wäre sie keine Königin. »Kella!«
Sie hielt eine Kerze in der Hand, eine edle Bienenwachskerze, deren goldenes Licht ihr schwarzes Haar dämpfte. Sie war klein, dachte Kella. Kein Wunder, dass es so schwierig für sie gewesen war, ein Kind zu geboten, einen lebendigen Sohn zu gebären.
»Guten Abend«, sagte Kella, und ihre Stimme klang so schroff wie immer.
»Was führt Euch hierher? Wie habt Ihr mich gefunden?«
»Ich bin eine Kräuterhexe, nicht wahr? Ich kenne meinen Wald.« Wenn Jalina überrascht war, gelang es ihr, dies zu verbergen. »Ich bin gekommen, um nach dem Kleinen zu sehen. Wie geht es Würmchen?«
»Es geht ihm gut«, sagte Jalina, während ihre Überraschung in Verwirrung überging. »Warum sollte es ihm nicht gut gehen?«
»Er schläft gut?«, fragte Kella, die der Frage im Moment auswich.
»Ja. Der Mondfluch wirkt. Das heißt, er schläft noch nicht die ganze Nacht durch, aber er ist noch so jung.« Ein Hauch Besorgnis mischte sich in Jalinas Stolz. »Stimmt etwas nicht?«
»Nichts Ernstes.« Kella hörte die Lüge unterbewusst, sprach sie aber ohne Zögern aus. »Manchmal lässt die Wirkung des Mondfluchs jedoch nach. Manche Kinder werden ruheloser als zuvor. Das Problem kann bei zu früh geborenen Jungen besonders oft auftreten. Wenn sie nicht schlafen, wachsen sie nicht richtig. Sie sind während des Tages unruhig und trinken keine Milch mehr…« Sie brach vielsagend ab.
»Nun, er war während der letzten Tage schwierig. Ich dachte, das sei nur eine Phase.«
Kella nickte grimmig über die aufkommende Sorge der Mutter. Eine Phase. Jedes Baby hatte sie. Wäre Würmchen nicht unruhig gewesen, hätte Kella etwas anderes erwähnt – dass er mit den Augen einen beweglichen Punkt festhielt, oder dass er die Hände nicht zusammenschlagen konnte. Sie hätte Jalina eine Falle gestellt. Sie wäre irgendwie an Würmchen herangekommen.
Sie musste an ihn herankommen. Ihr Leben hing davon ab.
Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte nicht viel Zeit, aber sie durfte die junge Mutter nicht zu hart bedrängen. »Ich habe etwas für ihn mitgebracht. Es ist ein sanfter Heiltrank. Tatsächlich ist es, um die Wahrheit zu sagen, hauptsächlich Pfefferminze, aber es ist noch ein wenig mehr darin. Es wird ihn beruhigen, ihn in den Schlaf geleiten.«
Jalina schaute zu der Decke vor ihrem Herdfeuer, zu dem Kind, das gerade seine Füße festhielt und gurrte. »Wenn Ihr es für nötig haltet«, sagte sie zweifelnd. »Ich werde es ihm heute Abend geben.«
»Solange ich hier bin, kann ich es selbst brauen.« Kella nahm die vier Päckchen aus ihren Röcken. »Die Mischung ist ein wenig schwierig. Die Reihenfolge ist wichtig, wisst Ihr.«
»Ich… Nun…« Kella konnte die Unentschlossenheit erkennen. Sie wusste, dass Jalinas Vernunft ihr sagte, sie solle die Hexe ignorieren, ihr Baby schützen. Kella wusste aber auch, dass die junge Mutter noch immer kinderlos wäre, wenn die Tränke der Kräuterhexe nicht gewesen wären.
Und Jalina schien sich von selbst an diesen letzten Punkt zu erinnern. »Nur zu«, sagte sie. »Mixt den Trank.«
Kella nickte und
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