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Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Hoff
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Beleidigung in Gedanken«, belehrte er seinen Besucher, »gibt es noch keine gesetzliche Regelung. Bitte – ich habe nichts ausgesprochen, habe mir nur mein Teil gedacht – was Sie an meiner Stelle wohl auch nur gedacht haben würden. Und nun, wenn ich bitten darf, halten Sie mich nicht mehr länger von meiner Arbeit ab.«
    Sicherlich war es unklug von George, sich auf diese Weise Feinde zu schaffen. Doch er befand sich dauernd in einer gereizten Stimmung. Er war enttäuscht, war verbittert – obwohl der große Erfolg seiner Lebensarbeit bereits vor der Türe stand. So quälten ihn die Gedanken an Gloria, von denen er nicht mehr loskommen konnte. Immer wieder schaltete er sich auf sie ein – immer tiefer fraß sich der Neid auf den Bruder in seinem Inneren fest.
    Das schöne Verhältnis zwischen den Zwillingen, das bisher durch nichts getrübt werden konnte, bestand nicht mehr. Mit Befremden mußte Wilbur erkennen, daß sich das Wesen seines Bruders zu ändern begann. Überall trat ihm George auf einmal mit Zweifeln und Widersprüchen entgegen. Meinungsverschiedenheiten ergaben sich, die sonst niemals bestanden hatten.
    Dabei wurde man dauernd von anderen Dingen und Menschen in Anspruch genommen. Gelehrte meldeten sich, die die Erfindung studieren und begutachten wollten. Großunternehmungen der Elektro- und Radioindustrie bewarben sich um Lizenzen, obwohl es mehr als zweifelhaft war, ob sie jemals solche erhalten konnten, da ja vor allem der Staat an der Angelegenheit interessiert war. Ärzte, Künstler, Privatleute sprachen vor, die alle für ihre Zwecke ein Lauschgerät haben wollten. Filmgesellschaften schickten Bevollmächtigte, die mit den Brüdern verhandeln sollten. Verleger machten verlockende Angebote. Sogar Autogrammjäger traten auf.
    Die Brüder verschanzten sich hinter einer Verfügung des Polizeipräsidenten, die sie sich hatten geben lassen. Nach dieser Verfügung war es ihnen unter Androhung einer schweren Strafe versagt, irgend eine Entscheidung zu treffen. Die Erfindung galt als beschlagnahmt, was, wie es weiter hieß, durch ihre ungeheure Bedeutung notwendig sei.
    Bald kam der Tag, da den Brüdern eine Fabrik für die Herstellung ihrer Apparate eingeräumt wurde. Neue Maschinen mußten dazu konstruiert, komplizierte Versuche sollten in den geräumigen Laboratorien fortgesetzt werden.
    Im Parlament war die Sache geregelt worden.
     
    Etwas sonderbar hatte es doch die beiden Brüder berührt, als ihnen durch den Polizeipräsidenten eröffnet wurde, daß sie sich selbst eine Überwachung ihrer Gedanken müßten gefallen lassen. »So leid es mir tut«, hatte Glifford mit seiner stets etwas näselnden Stimme gesagt, »und so peinlich das auch für Sie und mich sein muß – es geht leider nicht anders, Boys! Es ist nun einmal vom Parlament so beschlossen worden. Ihre Erfindung muß unter strengster staatlicher Aufsicht gehalten werden.«
    »Dann kann ich nicht weiterarbeiten!« hatte George erklärt, »wie kann ich ruhig meinen erfinderischen Ideen nachgehen, wenn ich stets das Bewußtsein mit mir herumtragen muß, daß ich in meinen Gedanken belauscht werde, – daß man mir diese Gedanken stiehlt, – daß sie an unrechter Stelle ausgenutzt und in die Tat umgesetzt werden können.«
    Mr. Glifford legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. » Das brauchen Sie nicht zu befürchten, mein lieber Taft, zum Ablauschen werden nur zuverlässige und diskrete Beamte herangezogen, die auf strengste Verschwiegenheit zu vereidigen sind. Lediglich darauf haben diese Leute zu achten, daß mit dem Lauschgerät niemals Unfug gestiftet wird, daß kein einziger Ihrer Apparate in unrechte Hände gerät.«
    »Sie trauen mir also zu, daß ich dem entgegenarbeite, Sir?«
    »Nein, durchaus nicht. Ich möchte Sie überhaupt bitten, die Angelegenheit nicht persönlich zu nehmen. Ich führe nur eine Anordnung aus, die mir das Parlament auferlegte. Jedenfalls werden Sie, was die erfinderischen Ideen betrifft, nicht im geringsten behelligt werden. Abgesehen davon wird man ja auch nur Stichproben machen – wie könnte jemand dauernd an Ihren Gedanken hängen!«
    George ballte die Faust in der Tasche. Was nützten hier alle schönen Worte! Die Sache verbitterte ihn, verbitterte ihn noch mehr, als er es ohnedies schon war. Nein! Unter diesen Umständen gab er die Arbeit auf – nun wollte und konnte er seinen Gedanken nicht mehr ungestört nachgehen. Düster begann er, die eigene Erfindung als einen Fluch zu betrachten.

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