Die gläserne Welt
das Leben. Oh – wenn Sie jetzt meine Gedanken belauschen könnten! Fühlen Sie denn noch nicht, wie sich mein ganzes Wesen verändert hat, seit ich Sie kennenlernte?«
Gloria entgegnete ernst: »Ja, verändert. Doch leider muß ich gestehen: zu Ihrem Vorteil gereicht Ihnen diese Änderung nicht, mein Freund.«
George stürzte in Hast ein Glas Sekt herunter – als ob er sich damit Mut einflößen wollte. In seinen Braunaugen lag ein flackernder Glanz. »Ich habe schon angedeutet«, erklärte er leise, »was in mir vorgeht. Sie sind das Licht meines Lebens geworden. Aber ich weiß ja – ich weiß ja: mein Bruder ist Ihnen mehr!«
»Wieso? Woher wissen Sie das?« fragte Gloria schnell und errötete, »haben Sie mich etwa auch schon belauscht?«
George hob die Schultern. »Dazu«, erwiderte er, »um das zu erkennen, braucht man niemanden zu belauschen. Jedenfalls streiten Sie es nicht ab. Warum aber sind Sie dann heute zu mir gekommen?«
»Zu Ihnen bin ich gekommen, um Sie von Ihrem Vorhaben abzuhalten, George. Sie sollen sich nicht isolieren, sollen nicht Ihren Bruder im Stich lassen; das verdient er wahrhaftig nicht.«
»Was ich zu tun und zu lassen habe«, erwiderte der junge Erfinder bitter, »kann ich leider von Ihren Wünschen nicht abhängig machen.« Irgend etwas lehnte sich in ihm auf. Widerspruch reizte ihn.
»Wenn Ihnen meine Wünsche gar nichts bedeuten«, bemerkte Gloria ohne ihn anzublicken, »kann es mit Ihrer Neigung mir gegenüber auch nicht weit her sein.«
»Gloria – ich versichere – ja, ich schwöre Ihnen –«
»Sparen Sie Ihre Worte und beweisen Sie mir durch die Tat, was Sie sagen wollen.«
»Und welchen Sinn hätte das – jetzt noch?« Haßerfüllte Gedanken sprangen in ihm gegen Wilbur auf.
»Wahre Liebe«, erwiderte Gloria, »ist selbstlos – und außerdem gibt sie die Hoffnung nie auf. Lassen Sie uns gute Freunde sein!«
George schob sein Glas hin und her. Plötzlich richtete er sich auf. Um irgend etwas zu sagen, bat er sie nun, ihm beim Kauf der Jacht behilflich zu sein.
Der Preis des Bootes wurde auf 12 000 Dollar heruntergehandelt.
Die Fabrik, die man einrichtete, war ein dreistöckiges, ausgedehntes Gebäude. Maschinen und Material wurden von staatlicher Seite zur Verfügung gestellt. Gegen Gewährung einer bedeutenden Jahresrente sollten die beiden Brüder verpflichtet sein, die Fabrikation zu leiten und an der Erfindung weiterzuarbeiten.
Die Einrichtung dauerte nur wenige Wochen. Man hoffte, bald ein vielversprechendes Produktionsprogramm zu erfüllen.
Wilbur war Tag und Nacht hinter den Arbeitern und den Handwerkern her. Überall hörte man seine kräftige Stimme, überall packte er selbst mit zu. Aber George ließ sich nicht blicken. Der ging, ohne Rücksichtnahme auf seinen Bruder und auf die Verpflichtung dem Staat gegenüber, seinen Vergnügungen nach.
Mit vollen Händen gab er das Geld aus. Neben seiner Motorjacht hatte er sich einen neuen, eleganten Wagen gekauft. Ein Privatflugzeug sollte hinzukommen.
Tagsüber tummelte er sich teils auf dem Wasser, teils, weite Ausfahrten unternehmend, in der Umgebung New Yorks herum. Er fuhr wie ein Rasender; es regnete Strafmandate. Aber das störte ihn nicht. Die Abende und die Nächte verbrachte er häufig in Tanzlokalen. Immer wieder rief er Gloria an, immer wieder lud er das Mädchen zu weiten Fahrten und zu abendlichen Vergnügungen ein. Wenn er, was immer seltener vorkam, zu Hause war, lauschte er ihre Gedanken ab. Dann packte ihn oft Wut und Verzweiflung. Sie hielt ihn für eine verirrte Seele; hoffte ihn auf den Weg der Pflicht zurücklenken und seinem Bruder wieder näher bringen zu können. An dieser Hoffnung ließ er sie absichtlich hängen, nur, um häufiger mit ihr zusammen zu sein. Auch er hegte immer noch eine Hoffnung: daß ihr die Abriegelung seines Bruders doch eines Tages zuviel werden würde. Denn Wilbur fand kaum noch Zeit, die täglichen Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Er arbeitete unentwegt. Selbst Gloria, die ihn öfter besuchte, mußte sich vernachlässigt fühlen. Sie spürte bereits – und George belauschte es mit Befriedigung – einen Groll in sich aufsteigen. Oft genug hatte sie Wilbur vorgeschlagen, daß er auch einmal ausspannen müsse, ob sie nicht einmal zusammen ausgehen wollten? Daraufhin hatte er immer nur grimmig gelacht. Ausgehen? Aber sie sehe doch – Arbeit! Die Arbeit verschlang seine Zeit, seine Kräfte. Ausgehen! Höhnisch bemerkte er: »Das besorgt ja mein Bruder
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