Die gläserne Welt
schön. Aber doch nicht auf diese Weise! Ich bin doch kein Wundertier. So aber betrachten mich jetzt die Leute. Wenn bloß die Arbeit gebilligt wird! – Lieber Himmel, ich kann jetzt nicht einmal mehr mit meinen Gedanken allein bleiben. – Hallo! Mister Taft! Vernehmen Sie mich? Können Sie denn überhaupt meine Sprache verstehen? – Richtig, die Sprache spielt ja dabei keine Rolle. Übrigens wieder ein hochinteressantes Problem. Sie haben mich neulich ja auch verstanden, obwohl ich meine Gedanken nicht in Ihre Sprache gekleidet hatte. Gedanken sind an keine Sprache gebunden. Wenn ich ›silla‹ denke, stelle ich mir einen Stuhl vor. Die Vorstellung ist es, die sich gedanklich auf Sie überträgt, und diese Vorstellung nehmen Sie dann in Ihrer Sprache als ›chaise‹ auf. Teufel ja! Ungeahnte Perspektiven eröffnen sich. Wenn Sie an Ihrem Gerät sitzen, Taft, können Sie jeden Menschen auf dieser Erde verstehen, auch wenn Sie nicht seine Sprache beherrschen. Das muß sich doch bei der Nachrichtenübermittlung enorm erleichternd bemerkbar machen!
Sie wollen jetzt wissen, was ich zu Ihrem Brief gesagt habe. Dafür, daß er veröffentlicht wurde, kann ich nichts. Daran ist nur mein Neffe schuld. Warum habe ich ihm diesen Brief auch gezeigt! Aber er interessierte sich so dafür! Nun bin ich, sehr gegen meinen Willen, sogar mit meinen persönlichsten Angelegenheiten, in das allgemeine Interesse gerückt. Das schadet nichts – werden Sie denken. Ich denke anders. Wir werden in manchem verschiedener Meinung sein. Den Betrag, den Sie mir in so liebenswürdiger Weise für mein Buch spendeten, habe ich an Sie zurückgesandt. Nicht, um Sie zu beleidigen, – aber ich brauche ihn faktisch nicht mehr. Man wurde durch Ihren Brief auf mich aufmerksam. Man macht mir die glänzendsten Angebote.
Für Ihre freundliche Teilnahme empfinde ich herzlichen Dank. Die Aufrichtigkeit meiner Gefühle kann Ihnen ja nicht verborgen bleiben. Ich habe mich damit abgefunden, daß ich belauscht werde – namentlich, da ich weiß, daß es vorläufig nur von Ihnen geschieht. – Mein Gott, nun ist aus meinen Gedanken so etwas wie das Diktat eines Briefes geworden! Aber so werden Sie mich auch am besten verstehen. Doch nun bitte ich Sie, mich wieder allein zu lassen. Ich weiß, daß Sie diesen Wunsch respektieren werden. Leben Sie wohl, Mister Taft! Vielleicht werde ich später einmal Gelegenheit finden, Sie in Amerika zu besuchen – aber mein Gott, Mercedes! Ich kann sie doch nicht allein hier zurücklassen. Nein. Und mitnehmen kann ich sie auch nicht. Heute hat sie erst wieder einen Anfall gehabt – bitte schalten Sie ab, Taft! Lassen Sie mich mit diesen traurigen Gedanken allein. Sie können mir doch nicht helfen in diesen Dingen ...«
Mehr vernahm Wilbur nicht, da er jetzt ausschaltete. Es wäre ihm taktlos erschienen, ja, wie einen Vertrauensbruch hätte er es empfunden, wenn er noch weiterlauschte.
Er freute sich. Der Professor hatte ihm seine Handlungsweise nicht übelgenommen. Er war ihm, als ob er plötzlich mit diesem Menschen befreundet sei.
Der Reporter aus Barcelona wartete schon auf ihn. »Nun, Señor, ist der Versuch gelungen?«
Wilbur blickte ihn spöttisch an. »Warum sollte er nicht gelingen? Hören Sie! Ich kenne hier einen Arzt, eine Berühmtheit, Spezialist für Herzleidende. Den nehmen Sie auf meine Kosten mit nach Barcelona hinüber. Er soll die Frau Professor Gallonis behandeln, bis sie wieder gesund ist. Ich glaube, daß er sie gesund machen kann.«
Der Reporter blickte verwundert. »Schön, Señor. Aber sagen Sie, bitte, auch etwas von dem, was Professor Galloni gedacht hat. Ich möchte die weite Reise nicht umsonst gemacht haben.«
Wilbur lächelte. »Bin ich für Ihre Reise verantwortlich?« erwiderte er, doch aus seiner Stimme sprach eine gütige Milde, »schön also – ich werde Ihnen etwas von seinen Gedanken wiedergeben. Er stellte Betrachtungen darüber an, daß ich seine Gedanken verstehen kann, ohne Ihrer Sprache mächtig zu sein. Er hat auch die rechte Erklärung dafür gefunden – übrigens ist hier bei uns in den Staaten schon vielfach darüber geschrieben worden. Ich gebe Ihnen einige Schriften für den Professor mit.«
Der Reporter strahlte, daß er Wilbur bei guter Laune fand und nun auch tatsächlich etwas berichten konnte. Er würde auch über Wilbur schreiben, über die Eindrücke, die sich ihm im Hause des Erfinders unauslöschlich eingeprägt hatten. Die Auflage seines Blattes würde
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