Die Glasblaeserin von Murano
Blick auf Duparcmieur. Der trug anstelle der Ärztekluft nun die auffällige Kleidung eines Theaterdirektors. Haare und Bart hatte er schlichter frisiert und grau gefärbt, um älter zu erscheinen.
«Gut. Und nun zu unserem Geschäft. Ich denke, es wird das Beste sein, wenn ich Euch zunächst unsere Vorschläge unterbreite. Danach könnt Ihr mir Fragen stellen. Einverstanden?»
Corradinos schwaches Nicken entging dem Franzosen nicht.
«Dann werde ich jetzt anfangen, denn unsere Zeit ist knapp. Ich vermute, dass Ihr schon einmal von Seiner erlauchten Majestät, König Ludwig dem Vierzehnten von Frankreich, gehört habt.»
Wieder nickte Corradino.
«Natürlich. Wer hat das nicht. Um ein Sinnbild seiner ruhmreichen Herrschaft und seiner übergroßen Weisheit zu schaffen, sind gerade die besten Architekten damit beschäftigt, in Versailles bei Paris ein Schloss zu errichten, das auf der ganzen Welt seinesgleichen sucht. Es wird herrlicher als alle Bauwerke des alten Roms oder Ägyptens, prachtvoller als die Paläste der Nabobs und Maharadschas von Indien oder der edlen Bewohner des antiken Griechenland. Erstaunlicher noch als die fremdartigen, wunderbaren Bauten der Chinesen in dem Land, das Euer Landsmann Marco Polo entdeckt hat. Und damit dieses Schloss auch wirklich einzigartig wird, hat sich Seine Majestät etwas ausgedacht, das die Menschen noch in vielen hundert Jahren in Staunen versetzen wird.» Corradino hatte seine Stimme wiedergefunden. «Und was ist das?»
«Er wünscht sich einen großen Saal, dessen Wände ganz aus Spiegeln bestehen.»
Corradino schwieg. Während der Gesang zu ihm empordrang, versuchte er, sich dieses kühne Vorhaben vorzustellen.
«Das ist interessant.» Wieder vernahm er den leicht belustigten Unterton in der Stimme des Franzosen.
«Was ist interessant?», fragte Corradino.
«Dass Ihr nicht sofort gesagt habt, so etwas sei unmöglich. Das bestärkt mich in der Annahme, dass Ihr der richtige Mann für dieses Werk seid.»
«Warum muss der König so etwas bauen? Es ist mit langer, mühevoller Arbeit verbunden und wird Unsummen verschlingen.»
Im Zwielicht konnte Corradino sehen, wie der Franzose seine Bedenken mit einer Handbewegung abtat.
«Das zählt nicht für Seine Majestät. Was zählt, ist einzig und allein die Darstellung seiner königlichen Macht. Durch ein Schloss mit einem derartigen Saal wird sein Ansehen bei den anderen Potentaten steigen. Das ist Politik, Corradino. Wir werden danach beurteilt, wie wir uns geben und was wir besitzen. Dieser Palast könnte sich für die kommenden Jahrhunderte zu einem Zentrum politischer Macht entwickeln. Vielleicht werden dort noch große Entscheidungen gefällt.»
«Ich verstehe. Und dazu wollt Ihr meine Hilfe.»
Duparcmieur nickte.
«Wir möchten, dass Ihr nach Paris kommt. Dort werdet Ihr mit allem Komfort und Luxus in unmittelbarer Nähe des Schlosses wohnen und die Oberaufsicht über die Herstellung der Spiegel führen. Und später dann, wenn es sicher genug ist und die Arbeit gut vorangeht, lassen wir Eure Tochter nachkommen.»
«Reist sie denn nicht mit mir?», fragte Corradino erschrocken.
Sein Gesprächspartner schüttelte den Kopf und setzte damit eine Parfümwolke frei. «Nicht sofort. Es ist schon für eine Person gefährlich und noch gefährlicher für zwei. Unter diesen Umständen ist es besser, wenn sie fürs Erste hier bleibt. Und im Interesse ihrer eigenen Sicherheit dürft Ihr ihr nichts von dem Plan erzählen, auch nicht beim Abschied.»
«Aber Monsieur, selbst wenn ich wollte - ich würde die Stadt nie und nimmer lebend verlassen können. Jeder meiner Schritte wird überwacht, da man mich wegen des angeblichen Verrats meiner Famüie noch immer verdächtigt.»
Nun beugte sich Duparcmieur so nahe zu ihm, dass Corradino seine Pomade riechen und den warmen Atem auf seiner Wange spüren konnte. «Ihr werdet die Stadt ja auch nicht lebend verlassen, Corradino.»
Kapitel 13
Der junge Kardinal
Wenigstens habe ich die Wohnung. Dort werde ich es mir gemütlich machen.
Angesichts solch unerfreulicher Ereignisse wie Fototermine und Interviews, die in der Fondaria auf sie warteten, war Leonoras einziger Trost ihre Arbeit, die ihr immer besser von der Hand ging, und ihre kleine Wohnung am Campo Manin. Wenn sie im goldenen Abendlicht nach Hause ging - denn Einladungen von ihren Kollegen nach Feierabend gab es schon lange nicht mehr -, fielen alle Sorgen von ihr ab, sobald sie das alte Haus mit seinen
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