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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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an, der bei seinem Vortrag in Bewegung ist, taucht dann mit der Schnauze tiefer ab, leckt sich den Penis, der sich rot herausschiebt, eine Kirsche.
    Bocca und ich sagen nichts, aber wir hören unaufmerksam zu, verlieren den Faden.

    »In Italien«, sagt Scarmiglia gerade, »wird alles Manierismus, kleine Pose. Sitten und Gebräuche. Die niederträchtige Komödie der Sitten und Gebräuche. Das ist irrelevant, das betrifft uns nicht.«
    Der Hund ist weiter lüstern mit sich selbst beschäftigt, sucht sein Geschlecht, das inzwischen durch die Reibung groß geworden ist, sich streckt, ein leichter Zweig, der sich in der frischen Mailuft wiegt. Er macht auch Geräusche, der Hund, ein Schmatzen, ein zufriedenes, spöttisches Winseln, doch Scarmiglia hört ihn nicht.
    »Alles, was von jetzt an nicht unserer Strategie und unserem Training dient«, sagt er, »darf uns nicht interessieren. Interessieren wird uns allein der Aufbau unseres geometrischen Hasses: ein transparenter, retikulärer Schneekristall.«
    In diesem Moment kommt aus dem Maul des Hundes ein schrillerer Laut; Scarmiglia erstarrt, dreht sich um, sieht die Erektion des Tiers vor sich, angeschwollen und zyanotisch, wendet sich dann wieder uns zu, die wir uns auf die Lippen beißen. Scarmiglia steht auf, lehnt sich an das Gitter, schnauft, scheucht den Hund weg, der den Kopf schief hält, langsam die dunkelbraunen Augen bewegt und nicht reagiert, die Erektion baumelt ihm immer noch rot und gleichgültig unter dem Bauch - die heroische, militante Erektion, die Erektion des brigadistischen Denkens, das Geschlecht, das in die Ideologie eindringt.
    Scarmiglia wendet sich angewidert ab und geht weg. Bocca folgt ihm, ich nähere mich dem Gitter. Ich rufe, der Hund sieht mich an, steckt die Schnauze zwischen den Stäben durch und bleibt so, die Ohren angelegt. Als er sich hinsetzt, streichle ich ihm sachte den Kopf, lege meine flache Hand auf seine Knochen; ich bücke mich, streiche ihm über die Brust, den Bauch, berühre seine Erektion; der Hund knabbert mir an zwei Fingern herum, wendet sich ab und geht davon.
    Als wir die Schule verlassen, sagt uns Scarmiglia, dass wir zur Lichtung gehen müssen. Zuerst ist da aber noch der Innenhof, da sind die anderen: Da ist das kreolische Mädchen. Ich schiebe
mich zwischen den anderen auf der Treppe durch, bis ich hinter ihr bin, und sehe - in der wogenden Bewegung ihres Haars, im Gewirr der Dämonen - einen Tropfen Blut in einem perfekten Rot. Noch immer Blut, denke ich, Monate später. Ein Milliardstel ihres unendlich fernen Lebens, das ich noch immer packen möchte, ein nacktes Kügelchen Blut, ein Impuls purpurnen Lichts, der aus dem Schwarz der Haare hervortritt, und also strecke ich die Hand nach dem Blut aus, will es gerade zwischen die Finger nehmen, doch auf der letzten Stufe, als wir auf das riesige Rund der Piazza De Saliba hinaustreten und uns unter den Streifenwolken im Blau des Himmels wiederfinden, öffnet der Blutstropfen die Flügel und ein Marienkäfer fliegt auf und verschwindet, es bleibt nur das Schwarz der Haare. In diesem Augenblick dreht das kreolische Mädchen sich um, sieht mich, und auf ihrer Stirn und in den anderen Gesichtszügen erscheint eine Art von Vorwurf, von Zweifel - und erst jetzt, während sie die kahlen Knochen über meinen Augen fixiert, fühle ich zum ersten Mal den Schädel und fühle mich als einen Schädel und empfinde Schrecken, einen konkreten und absoluten Schrecken, und ich möchte weinen, als sie sich mit dem Oberkörper zu mir vorbeugt, als wolle sie mit mir sprechen, und stattdessen eine seltsame, wütende Bewegung macht, mit dem rechten Handrücken in die linke Handfläche schlägt, eine Art asymmetrischer, falscher Applaus, und ihre Züge ziehen sich zusammen, alle, wie wenn einem zu viel Licht in die Augen fällt, und sie schlägt sich erneut in die flache Hand, das Geräusch einer Nuss, die aufbricht, schüttelt zweimal die rechte Hand, als wolle sie, dass es im Arm klackt, zeigt dabei mit Zeigefinger und Daumen eine Zwei, doch noch immer mit einem Hauch von Wut, einem Filigran von Spannung und Staunen, das durch die Haut dringt, und ich verstehe nicht, während ich bemerke, dass es stimmt, das Licht ist zu viel und bombardiert uns, um uns herum spüre ich die Fotosynthese geschehen, den Zerfall von Kohlendioxid zu Sauerstoff, die Masse der Zellatmung, die uns umgibt, und dann sehe ich, dass der Blick des kreolischen Mädchens sich von mir löst und hinter meinen Rücken

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