Die Glasfresser
stellen wir die Szene nach, bis wir unempfindlich werden - im Fuß, der schießt, in der Wade, die getroffen wird, im Blick des durch die Abfälschung getäuschten Torwarts - und keinerlei Bewusstsein des Spiels mehr haben, zu einer von sich selbst nichts wissenden Bewegung werden.
Später, als ich auf der Bettkante sitze, atme ich langsam ein und stelle mir den Atem von Bocca und Scarmiglia in diesem selben Moment vor, jeder bei sich zu Hause. Ich verlangsame den Atem weiter und beginne noch einmal, stimme mich ab, schaffe ein feines imaginäres Band zwischen unseren Körpern.
Auf dem Nachttisch habe ich das Maskottchen der Weltmeisterschaft, ein keine zehn Zentimeter großes Männchen aus Hartgummi. Ich habe es vor ein paar Tagen bei Nunzio Morello gekauft, der es unter zahlreichen krampfartigen Bewegungen aus einem Regal geholt und mir in die offene Hand gegeben hat; ich habe das Geld auf die Theke gelegt, und Nunzio Morello hat den Arm zur Seite gestoßen und mit seiner Hand mit den langen knotigen Fingern herumgefuchtelt, das Geld genommen und mit Manövern eines mechanischen Krans in die schwarze Kassendose geworfen.
Das Maskottchen trägt das hellblau-weiße Trikot von Argentinien, um den Hals ein blaues Tuch, in der Hand die Reitpeitsche eines Gauchos. Seine Haare sind schwarz. Ich fasse es gern an, weil es unverformbar ist. Ich bin noch nicht unverformbar.
Wir beginnen unsere Körper zu trainieren, sie zu analysieren, unter die Lupe zu nehmen, ihre Teile im Einzelnen zu betrachten, um uns ihrer bewusst zu werden: Wir wollen, dass sie unsere Instrumente sind. Wir wissen, dass wir unreife Körper haben, dass die Muskelbündel noch keine Gelegenheit hatten, zu wachsen und sich herauszubilden. Doch unsere Muskeln zu entwickeln interessiert uns weniger, als unsere Gelenke geschmeidig und widerstandsfähig zu machen.
Wir setzen uns also in schmerzhaften Positionen hin. Die Fersen berühren die Leisten, die Knie sind auf den Boden gepresst, während auch mit den Händen Druck ausgeübt wird, um die Sehnen zu spüren, die zu reinen Fäden werden. Wir stehen auf, stellen die Fußspitze auf den Rand einer Stufe, die Ferse ist unten, winkeln den Fuß an und dehnen die hinteren Beinmuskeln. Im Knien hocken wir uns auf die Fersen, biegen den Rumpf nach hinten, krümmen die Wirbelsäule. Jedes Mal halten wir so lang wie möglich aus, bis die Körper zu zittern anfangen.
Wir machen auch Übungen für die Hände.
Die Handflächen gegen eine Mauer gedrückt, pressen wir mit dem ganzen Körper so lange, bis die Handgelenke schneeweiß werden. Wir legen eine Hand in die andere, biegen sie in jede Richtung, betrachten das Handgelenk als einen Drehzapfen und die Hand als mobiles Element, lassen sie um den Zapfen rotieren; das Gleiche machen wir mit jedem einzelnen Finger, bis er sich anfühlt, als würde er nicht mehr zu einem gehören.
Wir verbringen viel Zeit mit Hüftbeugen. Wir beugen uns vor, noch einmal und noch einmal, bis uns der Bauch wehtut. Bocca leidet dabei, denn sein Körper ist groß und formlos; für Scarmiglia und mich ist es einfacher, doch wir versuchen uns immer noch zu verbessern.
Die Leute, die vorbeigehen, sehen drei Jungen ohne Haare. Wir haben unsere Eltern überzeugt, dass es jetzt, zu Beginn des Sommers, sicherer ist, die Köpfe weiter zu rasieren, damit es nicht schlimmer wird und damit sie frische Luft bekommen, und außerdem schämen wir uns überhaupt nicht deswegen. Die Leute sehen uns Fußball spielen, immer die gleichen Bewegungen wiederholen, Übungen machen und dann auf dem Bürgersteig sitzen und Papiere studieren. Am Anfang bemerken wir die Leute und fixieren sie, bis sie den Blick senken; jetzt sehen wir sie nicht mehr. Doch wir spüren die Sonne, die uns die Schädel verbrennt: Zum ersten Mal in unserem Leben schält sich die Haut auf unseren Köpfen. Auch oben auf den Ohren. Die geschälte Haut mischt sich mit dem Schweiß, und in den Pausen zwischen den Übungen
fahren wir uns mit der Hand über die Kopfhaut, reiben darüber, rollen Kügelchen aus der feuchten Haut und schnippen sie fort: Mit dieser Geste befreien wir uns von einem Gedanken.
Wir sitzen bei mir zu Hause vor dem Fernseher, bevor das Spiel Holland - Italien anfängt, essen Tomaten und Salatblätter ohne Öl und ohne Salz, und Scarmiglia erzählt uns von der Geschichte der Mannschaften, von den verschiedenen Traditionen, den taktischen Mustern und Mannschaftsaufstellungen. Von der Strategie, die Aufbau und
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