Die Glasfresser
zum Tor kommen. Wir beschreiben, wie der Ball weitergegeben und gestoppt wird, berechnen, wie er zurückprallt, im Flug abgeschwächt oder beschleunigt wird. Wir zeichnen Kurven und Pfeile, schätzen, wie der Ball aufschlägt und sich dreht. Dann
probieren wir alles an einer Mauer aus. Wir verlieren den Mut, setzen uns hin, stehen wieder auf, fangen noch mal von vorne an. Zum Schluss sind wir in der Lage, den Torschuss mit einer nahezu perfekten Annäherung an das Original nachzustellen: die Flanke von Cabrini, die ich mache, indem ich von der Seite komme und die Mitte des Spielfelds ins Auge fasse, die Abfälschung durch Bettega, die Bocca nachstellt, und Causios Kopfball, ausgeführt von Scarmiglia, den Bocca aus der oberen Torecke zurückschlägt, Rossi - das bin ich, zurück in der Mitte -, wieder in Ballbesitz, schießt und trifft aus Versehen Causio, also Scarmiglia, erneut Rossi, den ich verkörpere, noch ein Schuss und Tor.
Es ist ein Hebel- und Räderwerk, ein undurchsichtiger Mechanismus, den wir von Tag zu Tag entschlüsseln lernen. Wenn der Mechanismus enthüllt ist, scheint uns alles logisch und unvermeidlich, vorhersehbar und sogar banal. Die Wirkungen erzählen von den Ursachen, beschreiben sie, und wir sind hier, um diese Beschreibung zu verstehen. Wir begreifen, dass es bei dem Studium eines Phänomens notwendig ist, vom Ende auszugehen und wie Lachse gegen den Strom zu schwimmen, um zu erkennen, wie das Phänomen in seiner Gesamtheit entsteht. Ein Schritt zurück - vom Ball, der ins Netz schlägt, zum letzten Pass, zum vorletzten, zum drittletzten und so weiter - hin zur Konzeption des Ablaufs, zu dem Moment, in dem das, was geschehen ist, noch nicht da war und doch im Keim bereits existierte.
In diesen ersten Ferientagen ist die Sonne sanft, die Luft hat eine feine Körnung, die in die Gesichtshaut eindringt. Mit Bocca und Scarmiglia bin ich den ganzen Vormittag draußen, gehe nach Hause, um zu Mittag zu essen und die Spiele anzusehen, dann wieder bis zum Abend hinaus. Für den Augenblick, bis der Stein Urlaub hat, bleiben wir in der Stadt; im Juli siedeln wir nach Mondello über.
Eines Nachmittags, als wir im Park gegenüber von unserem Haus auf einer Marmorbank sitzen, erklärt Scarmiglia uns, was wir tun.
»Indem wir untersuchen, wie ein Tor zustande kommt«, sagt er, »beschäftigen wir uns mit zwei für unser Projekt sehr interessanten Fragen: dem Zufall und der Verantwortung.«
»Wenn wir eine Aktion unendlich oft wiederholen«, fährt er fort, »entziehen wir ein Phänomen dem Zufall. Wir entscheiden, dass der Zufall nicht existiert, dass alles verstanden und beherrscht werden kann.«
Bocca hört im Schneidersitz zu, die Fäuste zwischen den Beinen. Er ist der Aufmerksamere, sowohl beim Nachstellen der Tore als auch beim Studium der Theorie. Für ihn ist der Umstand, dass Scarmiglia seit einem Monat die Aufgabe des Ideologen übernommen hat, also desjenigen, der erklärt, keine Anmaßung: Er findet das in Ordnung, weil es notwendig ist, dass einer die Richtung angibt.
»Alles«, sagt Scarmiglia, »muss Verantwortung und Konstruktion werden. Reinheit und Strenge.«
Er macht eine Pause, mustert uns, fährt fort.
»Stunden damit zu verbringen, einen Schuss zu wiederholen, den Ball immer auf die gleiche Art zu treffen, ihn auf die eine oder die andere Art zu drehen, auf den Millimeter genau den Punkt zu kennen, wo er den Boden berühren wird, die Art des Rückpralls, die Tausendstelsekunde, in der man ihn erneut trifft, in einer Verbindung aus Kraft und Gefühl: All dies dient dazu, den Instinkt zu disziplinieren, und bezeichnet den Übergang vom Zufall zur Verantwortung.«
»Kontrolle«, ruft Bocca aus und zieht die Hände aus seinem Schoß. »Es ist eine Frage der Kontrolle«, wiederholt er.
»Gewiss«, sagt Scarmiglia. »Sogar die Atmung, die Art, wie unsere Lungen die Luft aufnehmen und ausstoßen, während wir laufen, muss Disziplin werden. Wir müssen lernen, im Einklang zu atmen, Einatmen und Ausatmen zu koordinieren.«
An diesem Punkt suchen wir einen weiteren Treffer aus und beginnen ihn zu analysieren. Bocca im Tor, während Scarmiglia und ich die verschiedenen Rollen übernehmen und uns bei den Flanken, den Kopfstößen und der Abwehr abwechseln. Wir
konzentrieren uns auf ein Fragment des Ablaufs: einen hohen Schuss, der die Wade eines Verteidigers streift und durch Änderung seiner ursprünglichen Bahn im Tor landet. In eine reine kollektive Maschine verwandelt,
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