Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
Vom Netzwerk:
ist klar, dass man anstelle eines Schwerts«, sagt er und zeigt auf das Foto der Rettore, »auch einen Bleistift oder einen Kuli oder einen kleinen Stock oder was sich gerade findet, nehmen kann. Notfalls auch nichts: Was zählt, ist die Haltung.«

    Bocca lächelt, steht ebenfalls auf, wartet, dass wir ihn anschauen.
    »Können es wirklich idiotische Stellungen sein?«, fragt er.
    »Sie müssen idiotisch sein«, sage ich. »Das ist der Sinn.«
    Da macht Bocca einen kleinen Sprung, spreizt die Beine, ein Knie steht vor, der rechte Arm zeigt nach oben, der Zeigefinger
zum Himmel, der andere Arm ist leicht gebeugt und die Faust geschlossen.
    »John Travolta«, sage ich. »In Saturday Night Fever.«
    »Bravo«, sagt Bocca und lacht.
    »Und was soll es bedeuten?«, frage ich ihn.
    »Ich weiß nicht.«
    »Es ist ein Zeichen für Gefahr«, sagt Scarmiglia.
    »Nein, Gefahr ist zu viel«, sagt Bocca.
    »Es kann anzeigen, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist«, sage ich. »Etwas Unvorhergesehenes«.
    »Ich weiß nicht, ob es richtig ist, in unser Alphabet etwas einzufügen, das mit dem Zufall zu tun hat«, sagt Scarmiglia.
    »Warum nicht?«, fragt Bocca.
    »Weil es nicht unserer Vision entspricht. Wir haben einen Monat damit verbracht, den Zufall zu eliminieren und die Welt in eine perfekte Geometrie zu fassen. Jetzt den Zufall zu dulden bedeutet zu kapitulieren.«

    »Aber etwas Unvorhergesehenes ist nicht das Gleiche wie ein Zufall«, sagt Bocca, »er ist etwas Kleineres.«
    »Das stimmt«, sage ich, »ich finde, wir können es aufnehmen.«
    Scarmiglia schweigt, er mauert, aber ich weiß nicht, wie ernst er es meint oder ob es ihn vielleicht amüsiert, sich so zu verhalten. Also gebe ich nicht nach.
    »Bei etwas Unvorhergesehenem bekommt die Ordnung Falten«, sage ich, »es ist ein Zufall im Kleinen.«
    Dann bin ich auch still. Jede unserer Unterhaltungen, denke ich, ist ein Spiel und eine Qual.
    Scarmiglia wartet, er genießt die Stille. Dann, indem er uns zu verstehen gibt, dass es sich nicht um eine gemeinsame Entscheidung, sondern um etwas handelt, das er uns erlaubt, nickt er zustimmend.
    In der Zwischenzeit ist der Lappen mit dem Kopf auf dem Tisch und dem Glas Wasser auf einer Memory-Karte eingeschlafen.
Seine Füße berühren den Boden nicht, seine Brust ist leicht eingefallen. Scarmiglia nähert sich ihm, betrachtet ihn, bringt einen Arm hinter seinen Rücken, die Finger der Hand gespreizt, als wollte er ihn schlagen, da stehe ich auf, und er hält inne, mit aufgerissenem Mund und irren Augen.

    »Allegria!«, schreit Bocca hinter mir. Der Lappen bewegt sich nicht und atmet ruhig weiter, die Augen geschlossen, auch als Scarmiglia sagt: »Ja, richtig: Mike Bongiorno«, und sich mit der gespielt beleidigten Miene von einem, der sich zu Unrecht verdächtigt fühlt, zu mir hin dreht.
    »Es ist, als würde etwas blockiert«, sagt Bocca.
    »Es könnte genau das bedeuten«, sagt Scarmiglia. »Blockieren. Eine Situation, in der es nicht vorangeht.«
    »Ein Stillstand«, sage ich.
    »Wartet«, sagt Bocca, »ich hab noch eine.«
    Er geht auf dem Gartenweg von uns weg, taumelnd, mit nach vorn ausgestreckten Armen und mechanischen Bewegungen; ich betrachte seine schwankenden Schultern, an denen die Muskulatur die Oberhand über die träge Materie gewinnt. Als er sich umdreht und wieder auf uns zukommt, hat er die Augen geschlossen und macht ein langes Gesicht, aber er muss grinsen, und als er es nicht mehr zurückhalten kann, reißt sein Gesicht auf, und er lacht, und die Arme fallen nach unten.

    »Ein Zombie«, sagen Scarmiglia und ich wie aus einem Mund.
    »Das bedeutet ›Handeln‹, ›Aktionen‹«, fügt Scarmiglia sofort hinzu.
    »Für mich in Ordnung«, sagt Bocca.
    »Für mich auch«, sage ich.
    So vergeht der Nachmittag mit dem Spaß, etwas vorzuschlagen und wiederzuerkennen. Wir beschließen, dass unser Alphabet, in
Anlehnung an das reguläre, aber auch um uns Grenzen zu setzen, aus einundzwanzig Stellungen bestehen soll.
    Bocca ist nicht zu halten und macht zwei weitere Vorschläge.
    Der erste hat mit Cochi und Renato zu tun. Bei ihnen gibt es etwas Subversives, eine Regelverletzung, die ihm gefällt. Wenn sie Canzone intelligente singen - Cochi in Strumpfhose und mit Poncho, Renato mit seinem Bauch unter dem Pulli mit schwarzen und weißen Streifen -, gehen sie beim Refrain ein paar Schritte zurück, strecken ein Bein noch weiter nach hinten aus, treten ins Leere und singen: »Lo sciocco in blu«. Es ist eine

Weitere Kostenlose Bücher