Die Glasfresser
noch weiter hinten, wo die Kamera nicht hinkommt, im Bienenstock ist die Königin.
Die drei Wächterbienen sind Bocca, Scarmiglia und ich. Wir sind genauso angespannt und in Alarmbereitschaft, haben die akute Ahnung einer Gefahr, konzentrieren uns auf eine Aufgabe, die wir uns nicht aussuchen können. Denn jede Biene hat eine unanfechtbare Aufgabe, genetisch determiniert, ein jahrtausendealter Reflex bringt sie dazu, immer wieder diese aus spezifischen Tätigkeiten bestehende spezifische Funktion zu wiederholen: putzen, nähren, sammeln, Honig produzieren, Wachs produzieren. Beschützen, angreifen. Kommunizieren.
Soziale Bienen, lese ich, tanzen, um ihren Artgenossinnen - auch sie sind Genossinnen - Nahrungsquellen oder den geeignetsten Ort zum Nisten anzuzeigen, indem sie konventionelle Bahnen in die Luft zeichnen: Der Rundtanz bedeutet, dass es in der Nähe eine Nahrungsquelle gibt, der Schwänzeltanz zeigt auch an, in welcher Richtung sie sich befindet; der Rhythmus, also die Zahl der Kreise pro Zeiteinheit, beschreibt die Entfernung. Eine Erscheinung wie der Flug der Bienen, die einem vollkommen zufällig vorkommt, ist also Teil eines strengstens kontrollierten Mechanismus, eines Systems genetischer Regeln und Zwänge. Wie vor einem Monat, als wir die Abläufe der Fußballweltmeisterschaft nachgestellt haben, um sie von innen her zu analysieren.
Am Abend, nach dem Essen, lese ich am Wohnzimmertisch weiter, während die Schnur und der Stein einen Film ansehen und der Lappen die grüne Antimückenkerze anstarrt, die in einer duftenden Spirale an der Terrassentür abbrennt, ihr Fuß aus Metall in einem Aschenbecher.
Die Bienenkönigin, denke ich beim Lesen, ist die Idee. Bocca, Scarmiglia und ich, wir haben unsere Bienenkönigin erkannt. Wir wissen, dass sie es ist, dass sie die Richtige ist. Sie ist schwarz und majestätisch, eine doppelte zugespitzte Ogive an den Extremitäten, zwei große visionäre Augen, ein Stachel, der ein gleichzeitig tödliches und belebendes Gift enthält. Die notwendige Religion,
das strahlende Zentrum. Für sie sind wir Diener geworden, verzichten auf unsere Identität und die Anmaßung, Entscheidungen zu treffen. Keine Biene entscheidet zu tun, was sie tut, keine Biene kann sich zurückziehen und desertieren. Die Biene erfüllt ihr eigenes Schicksal innerhalb der Notwendigkeit: Die Biene ist also die perfekte Aktivistin.
Am Morgen des 16. Juli werde ich spät wach, laufe im Haus herum, niemand ist da, ich denke an den Traum, den ich gehabt habe. Ich pinkelte, und eine Biene näherte sich meiner Eichel und schlüpfte durch das Loch hinein. Ich hörte sie summen, doch sie tat mir nicht weh, es war sogar angenehm und schien mir logisch, dass sie da war, die Eichel hat die Form eines Nests. Und diese Biene lebte jetzt in mir. Ab und zu kam sie heraus, flog weg, war Putzerin, Ernährerin, Arbeiterin, Wächterin, alles, wie es in dem Buch beschrieben stand, doch dann, am Abend, kehrte sie in meine Eichel zurück und schlief. Am Tag darauf spürte ich, wie die Biene sich die Beine und Flügel rieb, dann kam der Kopf aus dem Loch heraus, und sie flog wieder davon. Zu Hause sagte ich nichts, ich erzählte es nur Bocca und Scarmiglia, prahlte damit, der Nistplatz der Biene zu sein. Scarmiglia sagte mir, dass das Loch in der Eichel wie die Fontanelle im Schädel sei, dann trat er mir in die Hoden, ich fühlte mich schlecht, machte die Hosen auf, sah, dass die Eichel rot war, drückte mit den Fingern daran herum, und aus dem Loch kam die tote, zerquetschte Biene und fiel herunter, und im Traum war es so ruhig, dass man das Geräusch hörte, wie sie auf dem Boden auftraf, es so laut hörte, dass ich im gleichen Augenblick wach wurde.
In der Zwischenzeit bin ich weiter herumgelaufen, das Haus ist leer.
Ich gehe ins Bad, lasse die kurzen Schlafanzughosen und die Unterhosen herunter, mir scheint alles in Ordnung, nur ein leichtes Brennen. Ich stelle mich ans Waschbecken, drehe den Wasserhahn auf, um den Penis nass zu machen, halte aber inne, eine Hand am Penis und die andere, um das Wasser in der hohlen
Hand zu sammeln, wende mich um, und da ist der Lappen, der mich anschaut, ein braunes Packpapierpäckchen auf den Armen. Hinter ihm kommt die Schnur mit Einkaufstüten, ich bedecke mich mit den Händen, spritze aber Wasser über mich, die Schlafanzughosen werden nass, ich spüre die Tropfen auf den Beinen. Die Schnur schweigt, nimmt dem Lappen das Päckchen aus den Händen - es riecht nach
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