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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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ungelenke Bewegung, die aber auch etwas Schönes hat. Der Tritt nach hinten, die Stellung Der Trottel in Blau soll »Hass« bedeuten.
    Der zweite Vorschlag betrifft die Filme von Bud Spencer und Terence Hill.
    »Bei den Prügeleien«, sagt Bocca, »gibt es immer eine Person, die wiederholt geschlagen wird, sich um die eigene Achse dreht, ein paar Augenblicke schwankt und dann, mit verzerrter Grimasse und schielendem Blick, zu Boden geht.«

    »Jedes Mal schäme ich mich dabei«, fährt er fort. »Denn mir scheint, diese Personen, die sich um die eigene Achse drehen, drehen sich um unser Italiener-Sein, um unsere jämmerliche nationale Identität, die den Kampf immer zur Farce werden lässt.«
    Scarmiglia und ich sind verwundert. Wir haben ihn nie zuvor so reden hören, mit dieser Entschiedenheit und dieser Klarheit. Die Stellung Spencer-Hill wird natürlich »Schande« bedeuten.

    Ich spüre, dass ich wieder an der Reihe bin. Ich gehe ein Stück den Weg hinunter, nehme Anlauf, und als ich zwischen Bocca und Scarmiglia angekommen bin, mache ich einen unmöglichen Sprung, mime ihn nur, tue so, als würde ich die Hand auf irgendetwas stützen und dabei die Beine zur Seite strecken, wie in der Sequenz, die ich hundertmal in der Werbung für Olio Cuore gesehen habe: die rustikale Athletik von Nino Castelnuovo, der über die Latte springt, ist derart in unserem Blick verwurzelt, dass Bocca und Scarmiglia sofort darauf kommen.
    »Es würde mir gefallen, wenn das einen Übergang ausdrückt«, sage ich, »die Überwindung einer Grenze.«
    Es ist beinahe Abend. Ich wecke den Lappen und sage ihm, er soll ins Haus gehen. Er sieht mich verschlafen an, sucht seine Memory-Karten zusammen, schichtet sie zu einem Stapel, den er fest in die Hand nimmt, und geht. Scarmiglia steht auf, setzt sich in das eiserne Gerippe der Hollywoodschaukel und bringt sie zum Schwingen, wobei sie ein Quietschen von sich gibt, das sich wie ein Wimmern anhört.
    »An diesem Punkt«, sagt er, »müssen wir darüber hinaus gehen. Wir müssen es akzeptieren, ins Lächerliche abzustürzen. Ohne uns zu schämen. Auf diese Weise werden wir unverwundbar.«
    Bocca und ich schauen ihn verständnislos an. In der Hecke raschelt es wieder, ich sehe, wie das Laub sich einen Moment lang bewegt, dann wieder beruhigt.
    »Ich will damit sagen«, fährt er fort, »wenn wir wirklich den Mut haben, auf die Straße zu gehen und Arme und Beine zu verdrehen, ohne Angst, irgendeiner könnte uns für verrückt halten, dann sind wir zu allem bereit.«
    Seine Stimme kommt und geht, verändert sich mit dem Schwingen und bricht, wenn das Quietschen durch sie hindurchgeht. Dann hält er die Schaukel plötzlich an, entfernt sich ungefähr zwanzig Zentimeter vom Sitz und streckt die Arme nach vorn, um das Gleichgewicht zu wahren; er tut so, als würde er nach hinten oder zur Seite kippen, fängt sich schließlich, schwankt noch einmal. Lächelt, lacht.

    »Ich schlage vor«, sagt er und hält sich weiter im Gleichgewicht, während seine Stimme vor Anstrengung zittert, »in unser Alphabet auch die Stellung Fracchia aufzunehmen. Den Angestellten Giandomenico Fracchia«, schreit er wie ein Ausrufer, »auf seinem wackeligen Sitzsack. Das Drama der Instabilität im italienischen Kleinbürgertum. Die Unzulänglichkeit, die Unterwürfigkeit und die Feigheit.«
    Er macht eine Pause, holt Luft. Fährt dann fort.

    »Während die kleinen Beamten einem jeden Tag ins Bein schießen, macht uns das Fernsehen mit Giandomenico Fracchia glücklich, mit Johnny Bassotto, mit der Isotta, die hupt und durchkommt. Mit My name is potato .«
    Er unterbricht sich, lässt sich nach hinten gegen die Schaukel fallen, die nach unten wegsackt und ein Geräusch macht, als würde sie auseinanderbrechen, und auch beinahe zusammenkracht, dann aber doch hält.
    »Mit My name is potato«, wiederholt er und schüttelt den Kopf. »Mit Rita Pavone«, fügt er hinzu. Auf Englisch. Mit dieser furchtbar übertriebenen Aussprache - potäitou, mai näim is potäitou . Die sprechende Kartoffel, die singende Kartoffel.
    Er ist einen Moment lang still, Intelligenz und Bitterkeit vermischen sich.
    »Das haben wir«, sagt er. »Die Grimassen von Rita Pavone. Das Süßliche, das falsche Mitleid. Den ewigen Karneval. Macario, der das Großväterchen spielt, das mit dem Kind spricht. Wir haben die Kinder. Das Kind, das in jedem Film stirbt, von einem Auto überfahren, von den Klippen gestürzt oder an Anämie oder Leukämie. Jeder Film

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