Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
Vom Netzwerk:
an den Kreuzungen kontrolliert er immer die Straßennamen -, einer, der in wenigen Tagen zur höheren Schule gehen wird, ich würde sagen, auf ein naturwissenschaftliches Gymnasium, ihn aufs humanistische Gymnasium zu schicken, wäre zu vermessen gewesen, einer, der die Bücher von älteren Schülern kaufen wird, alle außer dem für Religion, aus Respekt; einer, der eine Gegend ohne jeden Reiz durchquert, nichts als Wohnhäuser, Kurzwaren- und Kleiderläden, und der also, das ist an diesem Punkt eindeutig, unterwegs zu Il Triangolo ist, dem kleinen, aber gut sortierten Sportartikelgeschäft, das sich weiter hinten, in der Via Aquileia befindet, das einzige in der Gegend, wo man Prozente bekommt, und zwar von der blonden Inhaberin, die einem zublinzelt und dabei die leuchtend roten Lippen kräuselt.«
    »Also«, fährt Flug fort und behält weiter einen zügigen Schritt bei, »der Junge kommt bald in eine neue Klasse und ist unterwegs, um sich neue Turnschuhe zu kaufen. Seine Eltern erlauben ihm, aus seinem Viertel in ein anderes zu gehen, weil es dort einen
Preisnachlass gibt, denn nichts lässt die bürgerliche Mittelschicht solchen Mut fassen wie die Aussicht auf eine Ersparnis. Von daher der zuversichtliche Schritt desjenigen, der zum ersten Mal zehntausend oder fünfzehntausend oder vielleicht sogar zwanzigtausend Lire in der Tasche hat und sich deshalb ausgesprochen lebendig fühlt, denn das Bewusstsein, Geld zu haben, regt den Körper und die Vorstellungskraft an.«
    Während Flug schneller geht, um Strahl und den Jungen zu überholen, denke ich darüber nach, was in seinem Hirn geschieht, an die Menge der stillen Detonationen, die sich ereignet haben, während er mit mir gesprochen hat, und dass seine Worte, unabhängig davon, ob sie den Tatsachen entsprechen, eine unglaubliche Übung sind, die Dinge zu kontrollieren.
    Nachdem wir vielleicht zwanzig Meter weiter als die beiden sind, wechselt Flug zum Bürgersteig auf die andere Straßenseite und geht dort direkt auf sie zu. Er macht zehn normale Schritte, beginnt dann, ohne stehen zu bleiben, mit dem Kopf hin- und herzuschlagen, sich gleich darauf um sich selbst zu drehen, um anschließend seinen Weg fortzusetzen und nach weiteren drei Schritten wieder mit dem Kopf zu schlagen und sich zu drehen.
    Der Junge hat ihn gesehen und geht langsamer, Strahl bemerkt das nicht rechtzeitig und prallt gegen ihn; als er mit ihm zusammenstößt, kann er gerade noch sehen, wie Flug den Kopf hin-und herschlägt und sich um sich selbst dreht - du Schande, du Schande. Strahl kauert auf dem Gehweg, er ist außer Atem und muss sich räuspern, schnappt durch Mund und Nase nach Luft. Während Flug und ich gleichgültig vorbeigehen, sieht der Junge, wie Strahl sich krümmt, hustet und ihm die Augen tränen. Dann dreht er sich um und entfernt sich. Wir helfen Strahl aufzustehen und gehen bei Stancampiano über der Brücke der Via Notarbartolo ein Eis essen. Flug erklärt Strahl, welche Fehler er gemacht hat, Punkt für Punkt. Ich höre zu und teile seine Meinung, doch mir scheint, dass es in Wirklichkeit keine Technik gibt, nur vage Absichten, die sich mit dem Zufall mischen. Wir beschließen, dass ein paar Tage lang jeder für sich arbeitet.

    Tags darauf gehe ich nachmittags aus dem Haus und laufe herum. Ich habe ein Heft und einen Kugelschreiber dabei. Genosse Flug hat gesagt, dass wir über jede Gegend alles wissen müssen. Es ist unsere zweite Übung. Beobachten, Notizen machen. Wissen, wie die Straßen heißen, wo sich die Geschäfte befinden, was sie verkaufen, wo die Straßenlaternen stehen, die Telefonzellen, die Bushaltestellen, die Transformatorhäuschen der Elektrizitäts- und die der Telefongesellschaft. Wir müssen alles wissen, sodass wir jeden Ort zum Schauplatz unserer Aktionen machen können.
    Ich beschließe, eine Straße zu erkunden, die wenige Schritte von unserem Haus entfernt liegt. Ich kenne sie, ich komme immer daran vorbei, und doch, als ich mich mit meinem Heft auf einen blauen Cinquecento stütze, wird mir klar, dass ich nicht weiß, wie sie heißt.
    Die Via Di Liberto - den Namen lese ich auf dem Schild - ist eine Sackgasse, eine Ausstülpung der Via Sciuti, gleich abgebrochen durch eine Begrenzungsmauer, die sie von den Schienensträngen der Stazione Notarbartolo trennt. Insgesamt ungefähr fünfzig Meter, vielleicht etwas weniger. In der Begrenzungsmauer gibt es eine dunkle Eisentür, vermutlich ein Diensteingang für das Wartungspersonal. Links

Weitere Kostenlose Bücher