Die Glasfresser
sind, bleiben in einer kleinen Bucht wenige Meter vom Meer entfernt. Es gibt noch Leute, die schwimmen gehen, doch wir sind in einer Kapsel mit offenem Himmel, unsichtbar und geschützt vor Lärm. Ich löse eine Schnecke vom Felsen, lege sie falsch herum in die Sonne, und meine Cousine nimmt sie und wirft sie ins Meer. Sie hat recht. Es tut mir leid, denn ich möchte, dass sie mir vertraut, dass sie mir vom Schmerz und vom Stolz des Kampfes erzählt. Als ich eine Krabbe sehe, die sich seitlich über den grünen Grund einer Pfütze bewegt, nehme ich mein Bein aus dem Weg, damit sie ungestört ihren Unterschlupf erreichen kann, doch die Krabbe bleibt auf halbem Weg stehen, zögernd, und unterdessen schweigt meine Cousine. Während die Müdigkeit meine Lungen erfasst und ich spüre, wie sich das leichte Fieber der Trägheit ausbreitet, sagt sie, dass sie nicht versteht, was mit mir los ist - die Art, wie ich reagiere, die Dinge, von denen ich spreche und wie ich davon spreche -, dass ich es vielleicht nicht weiß, ich mich nicht mehr erinnere, aber dass ich früher nicht so war. Sie verlangt nicht, dass ich ihr sage, was mit mir los ist, doch sie möchte, dass ich über die Verlegenheit nachdenke, in die ich sie gebracht habe, und darüber, was ich allen anderen zumute. Sie bittet mich nur darum nachzudenken. Und nicht mehr von Dingen zu reden wie jenen, von denen ich vorhin geredet habe, denn solange nur sie das hört, ist es eine Sache, aber wenn ich darüber in anderen Situationen und mit anderen Leuten spreche, könnte es anders sein, dann könnte ich Unannehmlichkeiten bekommen.
Das ist das Problem, denke ich. Das Sprechenmüssen. Die Art zu finden, den Hunger in Worte zu übersetzen. Der Hunger wird Hunger bleiben, wenn ich keine Sprache dafür finde. Ich hatte gedacht, meine Cousine könnte zuhören und erzählen: aber nein. Ihre Stimme ist erzieherisch. Nicht wie die anderen, sie hat nicht diesen entrüsteten und zensierenden Ton; doch sie hat beschlossen, mir nichts zu sagen und sich auf Mäßigung und Verteidigung zurückzuziehen.
Die Krabbe hat in der Zwischenzeit wieder angefangen, sich unter der Wasseroberfläche voranzubewegen, und schiebt sich mit
feucht-knackenden Bewegungen schief in ihr Schlupfloch. Meine Cousine steht auf, sagt: »Jetzt gehen wir nach Hause.«
Am nächsten Tag ruft mich Scarmiglia an. Er sagt, dass wir uns, bevor die Schule anfängt, was in fünf Tagen ist, sehen müssen. Mit Bocca hat er schon gesprochen, die Verabredung ist um drei Uhr am Nachmittag auf der Lichtung.
Ich bin zehn Minuten früher da, betrete die Lichtung und gehe zum Busch, umrunde ihn, bücke mich, suche darunter, in den Lücken, die sich unten auftun, horche; Scarmiglia überrascht mich bei meinem Lauschen.
»Was tust du da?«, fragt er mich.
Ich stehe auf, antworte ihm nicht, mache nur ein verlegenes Geräusch mit dem Mund, er sieht mich an und hakt nicht weiter nach. Wir warten ein paar Minuten, bis Bocca kommt. Auch die Köpfe der beiden sind mit dichtem Flaum bedeckt, hell bei Bocca, sehr dunkel bei Scarmiglia. Wir setzen uns auf den Boden, und Scarmiglia macht gleich klar, was er uns sagen will. Dass wir keine Zeit verlieren dürfen. Dass wir unbedingt anfangen müssen, etwas Konkretes zu tun. Dass also der Augenblick gekommen ist, Aktionen zu planen und durchzuführen. Doch zuallererst, sagt er, müssen wir etwas dagegen tun, wie wir wahrgenommen werden, denn trotz allem sieht man uns immer noch als Kinder.
»Du«, fragt er mich, »woran denkst du, wenn du an mich denkst?«
Ich gebe keine Antwort, weil ich mich davor fürchte, was er vielleicht daraus macht. Wahrscheinlich will er nur wissen, was er mich gefragt hat, sonst nichts, und doch spüre ich ein implizites Urteil in der Frage. Und jenes, das sich aus meiner Antwort ergeben wird.
»Ich meine«, beginnt er erneut, »wen siehst du, wenn du an mich denkst?«
»Ich sehe dich«, sage ich.
»Wen mich?«
»Scarmiglia.«
»Genau, und das ist nicht in Ordnung. Wir nehmen uns weiter so wahr, wie wir es gewöhnt sind. In der Schule nennen wir uns beim Nachnamen, also nennen wir uns, auch wenn wir nicht in der Schule sind, beim Nachnamen.«
»Stimmt«, sagt Bocca. »Auch ich denke mit den Nachnamen an euch.«
»Aber wir haben uns doch Namen gegeben«, sagt Scarmiglia: »Flug, Strahl und Nimbus. Unsere Kampfnamen. Die wir aber noch nie benutzt haben. Als wären sie zu eng für unsere Körper. Doch inzwischen haben sich die Dinge geändert.
Weitere Kostenlose Bücher