Die Glasfresser
befindet sich ein kleines Tor aus braunem Holz mit einer durch ein Metallgitter geschützten Scheibe; daneben die Werkstatt eines Automechanikers, klein und bescheiden, das Rollgitter nicht ganz oben. Es wird wohl morgens hochgeschoben, hat aber ein bisschen Spiel und rutscht nach und nach wieder zentimeterweise herunter, was nicht den Durchgang verhindert, aber einen zwingt, sich zu bücken. Drinnen, an einer Kachelwand, deren Farbe ursprünglich einmal ein helles Himmelblau gewesen sein muss und die von Schmutzwolken überzogen ist, hängt ein Kalender von 1973, der Antonello Cuccureddu in spielerischer Aktion mit dem Ball zeigt: gebückt, die Haut dunkel wie Wagenschmiere, das Gesicht gegerbt. Unter Cuccureddu, vage im elektrischen Licht, das Urbild des Automechanikers. Blaue, ölverschmierte Hosen und das schwarz-rosa Trikot von Palermo, von jenem blassen Rosa, das die Wangen kurz vor dem
Tod färbt. In Demut erstarrt, kontrolliert er das Innenleben eines weißen Alfa Giulia, wie die Polizei welche fährt. In den Händen hält er ein krummes Eisen, das er mit Widerwillen betrachtet. Auch hier gibt es eine Blume in einer kleinen Coca-Cola-Flasche; diesmal eine zerrupfte Geranie in einem widerlich gelblichen Wasser. Dann sind da geparkte Autos, zumeist benzinsparende Postölkrise-Kleinwagen, ein paar streunende Hunde, die zwischen der Werkstatt und der Mündung der Straße hin und her laufen, umherfliegendes Altpapier, das sich manchmal, vom Wind dorthin geweht, raschelnd an den Reifen der Autos sammelt.
Ich beende die Übung, klappe das Heft zu und mache mich auf zur Via Giusti. Ich warte, setze den Weg fort, bleibe stehen, gehe weiter. In der Via Petrarca sehe ich jemanden, der sich eignen könnte. Es ist ein Mann um die fünfzig. Das Haar hellgrau, der Kopf rund, der kleine Körper zusammengedrückt. Er trägt ein braunes Jackett, ein zerknittertes weißes Hemd. Scheint so, als hätte er darauf gesessen. Auch seine Hosen sind braun; die Mokassins aus Lackleder. Braun. Ein kleiner Exkrementenmann. An die Brust gepresst hält er ein mit blauem Stoff umhülltes und dreifach mit Kordel umwickeltes Glas. Er geht mit leichtem Schritt, in seinen Laufschritt legt er ein Flattern, das etwas Zierliches hat; ich sehe ihn von hinten, doch ich bin mir sicher, dass er lächelt, während er ausschreitet.
Er ist Angestellter. An einem Schalter hinten in einer Bank, wo mithilfe von Niederschriften und Direktiven verwaltet wird. Es ist einer, der Dinge wie »gemäß der Bestimmung«, »in Anbetracht der Tatsache«, »beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen« denkt. Er denkt und er schreibt solche Dinge. Doch er hat einen Schritt, der nicht zum Klischee des Bürokraten passt. Er schreitet unternehmungslustig Richtung Zukunft aus; und jetzt geht er in Richtung Teatro Garibaldi, wobei er fröhlich um die Pfützen herumspringt, die ein Septembergewitter auf der Straße hinterlassen hat. Ich berichtige also die erste Idee: Der kleine Exkrementenmann ist schon ein Angestellter, aber, nachdem er jahrelang irgendeinen Groll genährt hat, trägt er nun einen selbst gebastelten Sprengkörper
zur Post in der Via Roma, um das Vorhaben eines Brandanschlags auszuführen.
Ich beschleunige meinen Schritt und gehe neben ihm, Schulter an Schulter, und während er mit einem Lächeln nach vorn schaut, nutze ich die Gelegenheit und schnüffle. Er riecht nach Verfilztem und Feuchtem. Ein vom Hund angekauter Pantoffel, der Speichel eingetrocknet. Kleider, die nie gelüftet werden, und da ist etwas, das mit Waschen zu tun hat, mit dem Waschmittel, das sich unten in der Waschwanne auflöst, darin ein Kragen, der sich entfärbt, und im Fernsehen nebenan Raffaella Carrà.
Ich überhole ihn, mache kehrt, um ihm wieder zu begegnen, kreise ihn ein, wirble um ihn herum. Ich bin eine Biene beim Auskundschaften. Wie ich meine Kreise um ihn ziehe, starre ich ihn schamlos an. Er ist hässlich wie die Nacht: die Stirn niedrig, die Nase gekrümmt, die löchrige dunkle Haut von einer Schweißschicht bedeckt. Er ist also krank, das Glas enthält keine Bombe, sondern seine Exkremente. Er bringt sie in ein Labor, um sie analysieren zu lassen. Er hat sich eine Tropenkrankheit zugezogen, man muss die Darmbakterien untersuchen, um herauszufinden, was es ist. Doch einer wie er fährt nicht in die Tropen. Also enthält das Glas ein inneres Organ von ihm, etwas, das ihm herausgenommen worden ist, und er trägt es immer mit sich herum, wie die Bewohner des Mondes, die in Comics
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