Die Glasfresser
Karikatur. Inzwischen unterhält sich meine lockenköpfige Cousine mit einem Typen, der Haare hat wie ich, bevor ich sie mir abrasiert habe: kastanienbraun, füllig, oben hochstehend. Der Gastgeber hat die nächste Rolle eingelegt, der Anfang des Filmstreifens hat knatternd gegriffen, und das Licht des Projektors flimmert an der Wand. Es geht weiter.
Im Dunkeln, während die Geschichte mit der Frau, die singt und verrückt wird, ihren Lauf nimmt, beginne ich, die Finger zu
reiben, richte mich auf, hebe die Schultern und breite die Arme nach Falkenart aus; noch ein Fingerreiben und ein kleines Hüpfen im Sitzen, dreimal; ein drittes Reiben und erneut die Arme wie ein Falke ausgebreitet. Irgendjemand sagt, ich solle das lassen und keine Schatten mit den Händen machen; meine Cousine muss sich den Vorwurf anhören, das hier seien keine Filme für kleine Jungs; sie sieht mich an, und ich rühre mich nicht, bin still, schäme mich kein bisschen.
Nach sechs Monaten in einer Klinik für psychisch Kranke kommt die Frau wieder nach Hause. Es gibt ein Fest, Verwandte sind da; sie sind angespannt, verkrampft, umarmen die Frau, halten ihre Hände in den Händen. Dann gibt es einen Streit, und die Verwandten gehen weg, noch mehr Streit, und die Frau steigt auf ein Tischchen im Wohnzimmer, bewegt die Arme und dirigiert stumm den Schwanensee, während der Mann sie zu stoppen versucht. Da kreisen die Kinder den Vater ein, halten ihn von ihr fern, auf der Treppe beginnt ein hektisches Auf und Ab, die Frau flieht ins Bad, nimmt ein Fläschchen mit Pillen, und einen Moment später hat sie eine blutüberströmte Hand, durch Glasscherben oder mit Rasierklingen aufgeschnitten, eine hält sie in der Faust umklammert. Sie erinnert mich an die Schnur, an ihre Traurigkeit als Frau, die Schnur, die mit dem Blut in der Handfläche verrückt wird. Ich schaue mich um, die anderen sehen im Schein des Projektors blass aus, und erneut reibe ich die Finger, strecke ein Bein zur Seite und trete nach hinten gegen die Couch, schlage mit dem Kopf hin und her, richte die Schläge wie Salven gegen die Freunde meiner Cousine und einen auch gegen sie, die es hinnimmt, ohne zu reagieren, und gegen die Frau im Film und gegen die Schnur, die nicht da ist, bis der Gastgeber den Projektor ausschaltet, das Licht anknipst und fragt: »Was macht er?«, meinen epileptischen Anfall beobachtet, diese neue Organisation von Spasmen, und sagt: »Es geht ihm nicht gut«, und ich sehe ihn an, meine Cousine hält die Hand fest, mit der ich reibe, und ich höre auf; dann zieht sie mich hoch, verabschiedet sich von allen, und wir gehen. Unterwegs auf dem Moped spricht sie mit mir, stellt mir Fragen.
Ich sitze hinter ihr und rieche den Duft ihres Haars, beruhige mich, sage ihr aber nichts.
Wir kommen in Mondello an, parken und gehen am Meer spazieren. Ich würde sie gern nach Addaura mitnehmen und ihr zeigen, was ich mit den Bienen machen kann, aber es ist besser, ich tue es nicht. Also höre ich ihr zu und betrachte ihr lockiges, buschiges Haar, ihre Nase, die wie die der Schnur ist, die blaue Bluse, den geblümten Rock über den schwarzen Kniestrümpfen und den Clogs. Die geometrische Art, die Hände zu bewegen, wenn sie spricht.
»Bist du eine Brigadistin?«, frage ich.
Sie bleibt unvermittelt stehen.
»Was?«
»Du bist eine Brigadistin«, wiederhole ich, und diesmal ist es vom Ton her keine Frage mehr: Ich treffe eine Feststellung.
»Was sagst du da?«
»Ich sage, du bist eine Genossin; eine, die kämpft. Du hast wirres Haar. Diese Kleider. Einen guten Duft. Du schminkst dich nicht.«
»Also?«
»Also bist du eine Brigadistin.«
Sie mustert mich. Auf einem noch dünnen braunen Moos, das an einigen Stellen, besonders über den Scheitellappen, dichter wächst, zeigen sich auf meinem Schädel Oberflächenformen unterschiedlicher Intensität, Schnörkel, die je nach Krümmung der Knochen Gestalt annehmen. Meine Cousine schaut sich die Formen an, das exakte Wort wäre, sie erforscht sie, und es scheint, als könne sie etwas daraus wahrsagen, in den Knochen ein Bild der Zukunft finden. Mir würde es gefallen, wenn sie kämpfende Krieger sähe, Männer und Frauen, die sich im Kampf und im Sex ineinander verschlingen. Mir würde es gefallen, wenn sie beschriebe, was sie sieht. Doch sie sagt nichts und setzt ihren Weg fort.
Wir erreichen den freien Strand und gehen weiter Richtung Capo Gallo. Wir kommen an Klippen vorbei und müssen achtgeben, wo
sie spitz und rutschig
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