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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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Unsere Körper sind agiler geworden, unsere Bewegungen präziser: Von jetzt an müssen wir uns mit diesen Namen nennen. Das ist Teil unserer Verwandlung.«
    »Wie die Häutung bei Schlangen«, sagt Bocca.
    »Du hast recht«, sage ich an Scarmiglia gewandt. »Ich meine: Du hast recht, Genosse Flug.«
    Genosse Flug schenkt mir ein dürres, kaltes Lächeln.
    »Danke, Genosse Nimbus.«
    »Und was machen wir jetzt, wo wir in unsere Namen passen?«, fragt Genosse Strahl.
    »Wir radikalisieren uns«, sagt Flug.
    »Und was heißt das?«
    »Das heißt, wir führen konkrete Aktionen durch. Pathologische Aktionen. Und wir beginnen mit den elementaren Dingen.«
    Genosse Strahl und ich hören aufmerksam zu. Ich spüre wieder: Das Denkvermögen des Genossen Flug umfasst mehr als das meine; mehr Sorgfalt, mehr Entschlossenheit.
    »Vor allem«, sagt er, »müssen wir lernen, wie man beschattet.«
    »Also wie man jemandem folgt?«, frage ich.
    »Beschatten, Genosse Nimbus, ist etwas anderes als folgen.«
    Es gefällt mir, Genosse Nimbus genannt zu werden. Es gefällt mir, im Kopf Bocca in Strahl, Scarmiglia in Flug zu übersetzen. Indem ich sie übersetze, werden sie körperlos, werden nützliche Instrumente unserer Verwandlung in Kampfmaschinen. Sicher, ab und zu vertue ich mich noch, doch ich korrigiere mich sofort,
der Geist verschlingt die alten Namen und bewahrt die Kampfnamen. In Kürze, sage ich mir, werden sie mir ganz natürlich vorkommen.
    »Beschatten«, sagt Flug, »ist nicht das, was wir in Filmen sehen. Beschatten ist ein Gebet. Wir glauben nicht an Gott, doch wir verstehen, was ein Gebet ist: Beschatten ist ein stummes Gebet, das Bewegungen an die Stelle von Wörtern setzt, ein Gebet, über das unser Körper sich an einen anderen, nicht an einen göttlichen, sondern an einen irdischen Körper und an einen Raum wendet; dieser Körper und dieser Raum haben ein Geheimnis, das sie uns durch das Beschatten bekennen sollen.«
    Flug unterbricht sich und steht auf, schlägt vor, auszuprobieren, was er gesagt hat. Nach gerade einmal fünf Minuten geht auf dem Bürgersteig gegenüber ein Junge vorbei, kaum älter als wir. Er ist klein, Jeansjacke und rote Hosen. Weiße Turnschuhe. Flug sagt zu Strahl, er soll ihn beschatten. Wir werden unterdessen ihn beschatten.
    Strahl holt zu dem Jungen auf, der sich schlaksig dem Viale delle Alpi zuwendet, und bleibt zwei, drei Meter hinter ihm. Es gelingt ihm nicht, seinen Gang auf den seines Opfers abzustimmen, er riskiert, auf ihn draufzulaufen, also lässt er sich abhängen, geht dann wieder los, klebt aber nach einer Minute schon wieder an ihm. Dreißig Meter weiter hinten beobachten Flug und ich, wie planlos er vorgeht, nur darum besorgt, nicht den Kontakt zu dem Beschatteten zu verlieren; auf diese Weise interpretiert er den Raum nicht, er erleidet ihn.
    »Sieh ihn dir an«, sagte Flug zu mir. »Das reinste Jo-Jo.«
    »Der Beschattete«, fährt er fort, »kann den Beschatter überall hinführen, so wie das Gebet zu einem sich entziehenden und unfassbaren Gott sich maßlos ausdehnen kann. Daher ist es nötig, sich Bezugspunkte zu schaffen. Statt so an ihm dranzukleben, sollte Strahl dem Jungen mindestens fünfzig Meter Vorsprung geben, den Bürgersteig wechseln und sich einen Überblick verschaffen.«
    Wir beschleunigen und erreichen die gleiche Höhe wie die beiden, allerdings auf der anderen Straßenseite. Strahl ist derart
konzentriert, dass er uns nicht bemerkt. Wenn der Junge aus irgendeinem Grund stehen bleibt - an einer Ampel, vor einem Schaufenster -, weiß Strahl nicht, was er tun soll, wird langsamer und simuliert eine wenig glaubhafte Gleichgültigkeit.
    Das Beschatten dauert noch weitere zwanzig Minuten, Richtung Viale Strasburgo und Via Belgio. Flug erklärt mir, dass es möglich ist, das Ziel eines Beschatteten abzuleiten. Es geht dabei um das Kombinieren einer Reihe von Variablen: Aussehen, Kleidung, Gang, der Raum, der durchschritten wird, die Tageszeit, zu der der Ortswechsel stattfindet.
    »Dieser Junge«, sagt er, »gehört zur bürgerlichen Mittelschicht. Das erkennt man am Haarschnitt, der ein Kompromiss zwischen Mode und Tradition ist, am Hemd, das in der Hose steckt, an den Schuhen, deren Gummisohlen extrem abgelaufen sind und die als Turnschuhe und als normale Schuhe benutzt werden. Er ist einer, der Prinzipien und Utopien vermischt, einer, der den Schritt beschleunigt, damit er sein Ziel schnell erreicht, der aber Angst hat, weil dies nicht sein Viertel ist -

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