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Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Plath
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Gewissen. Ich gab mir Mühe, schnell zu essen, damit die anderen, die meistens nur einen gemischten Salat und einen Grapefruitsaft bestellten, weil sie abzunehmen versuchten, meinetwegen nicht warten mußten. Fast alle Leute, denen ich in New York begegnete, versuchten abzunehmen.
    »Ich möchte die hübscheste, intelligenteste Gruppe junger Damen willkommen heißen, die wir bisher in unserem Haus begrüßen durften«, schnaufte der dickliche, kahle Zeremonienmeister in sein Knopflochmikrophon. »Dieses Bankett ist nur ein kleiner Beweis der Gastfreundschaft, die unsere Testküchen hier bei Ladies' Day Ihnen anläßlich Ihres Besuches bieten möchten.«
    Verhaltener, damenhafter Applaus – dann setzten wir uns an den riesigen, leinengedeckten Tisch.
    Wir, das waren elf Mädchen von der Zeitschrift, dazu die meisten unserer Mentoren aus der Redaktion, und die ganze Belegschaft der Testküchen von Ladies' Day in hygienischen weißen Kitteln, säuberlichen Haarnetzen und einem makellosen Make-up in einheitlicher Pfirsichfarbe.
    Wir waren nur elf, denn Doreen fehlte. Aus irgendeinem Grund hatte man für sie neben mir gedeckt, doch nun blieb der Stuhl leer. Ich hob die Tischkarte für sie auf – ein Taschenspiegel, darauf in versponnener Handschrift »Doreen«, umrankt von einem Kranz mattierter Gänseblümchen, die das silberne Loch rahmten, in dem sich ihr Gesicht zeigen würde.
    Doreen verbrachte den Tag mit Lenny Shepherd. Sie verbrachte inzwischen den größten Teil ihrer freien Zeit mit Lenny Shepherd.
    In der Stunde vor dem Essen bei Ladies' Day – der großen Frauenzeitschrift, die opulente Doppelseiten mit Mahlzeiten in Technicolor bringt, jeden Monat mit einem anderen Thema und in anderem Ambiente – waren wir durch die endlosen blitzenden Küchen geführt worden und hatten gesehen, wie schwierig es ist, einen Apfelkuchen à la mode unter grellen Lampen zu fotografieren, weil die Eiscreme ständig schmilzt und von hinten mit Zahnstochern gestützt und jedesmal gewechselt werden muß, wenn sie zu weich aussieht.
    Der Anblick von all dem Essen, das sich in diesen Küchen türmte, machte mich schwindelig. Nicht, daß wir zu Hause nicht genug zu essen bekommen hätten, aber meine Großmutter nahm immer Fleisch aus dem Sonderangebot oder Hackbraten aus dem Sonderangebot, und sobald man die erste Gabel zum Mund führte, sagte sie: »Ich hoffe, es schmeckt euch, es hat einundvierzig Cents das Pfund gekostet«, so daß ich immer das Gefühl hatte, ich äße Pennies statt Sonntagsbraten.
    Während wir hinter unseren Stühlen gestanden und der Begrüßungsansprache gelauscht hatten, hatte ich den Kopf gesenkt und verstohlen die Position der Kaviarschalen ausgespäht. Eine Schale stand strategisch günstig zwischen mir und Doreens leerem Stuhl.
    Ich rechnete mir aus, daß das Mädchen mir gegenüber sie wegen des Tafelaufsatzes mit einem Berg Marzipanfrüchte nicht erreichen konnte, und Betsy, rechts neben mir, würde mich aus lauter Freundlichkeit nicht bitten, sie mit ihr zu teilen, wenn ich sie neben mir und meinem für Brot und Butter vorgesehenen Teller stehen ließ. Außerdem stand eine andere Kaviarschale ein wenig rechts von dem Mädchen neben Betsy, aus der sie essen konnte.
    Zwischen meinem Großvater und mir gab es einen uralten Witz. Er war Oberkellner in einem Country Club in der Nähe meiner Heimatstadt, und jeden Sonntag fuhr meine Großmutter hinüber und holte ihn zu seinem freien Montag nach Hause. Abwechselnd kamen mein Bruder oder ich mit, und jedesmal servierte er meiner Großmutter und dem, der von uns mitgekommen war, das Sonntagsabendessen, als wären wir reguläre Clubgäste. Er ließ mich gern besondere Leckerbissen kosten, und schon mit neun Jahren hatte ich eine Leidenschaft für kalte Vichyssoise, Kaviar und Anchovispaste entwickelt.
    Der Witz bestand darin, daß mein Großvater dafür sorgen wollte, daß ich bei meiner Hochzeit soviel Kaviar bekäme, wie ich essen konnte. Es war ein Witz, weil ich nicht vorhatte zu heiraten, und wenn doch, dann würde sich mein Großvater so viel Kaviar gar nicht leisten können, es sei denn, er plünderte dieKüche in seinem Country Club und schleppte die Beute in einem Koffer davon.
    Im Schutz des Klingklangs von Wassergläsern, Silberbesteck und feinem Porzellan pflasterte ich meinen Teller mit Hühnchenbrustscheiben. Dann bestrich ich die Hühnerscheiben mit Kaviar – so dick, als würde ich mir ein Brot mit Erdnußbutter schmieren. Anschließend nahm

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