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Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Plath
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war das Krabbenfleisch. Sie haben es untersucht, es war knallvoll mit Leichengift.«
    Ich sah vor mir die himmlisch weißen Küchen von Ladies' Day , die sich ins Unendliche erstreckten. Ich sah, wie eine endlose Reihe von Avocados mit Krabbenfleisch und Mayonnaise gefüllt und unter gleißenden Lampen fotografiert wurde. Ich sah das zarte, rosa marmorierte Fleisch verführerisch unter der Mayonnaisedecke hervorlugen und darunter die blaßgelbe Frucht mit dem alligatorgrünen Rand, die diese Pampe in sich aufgenommen hatte.
    Gift.
    »Wer hat die Untersuchung gemacht?« Ich dachte, der Arzt hättejemandem den Magen ausgepumpt und dann in seinem Hotellabor untersucht, was er gefunden hatte.
    »Die Dummköpfe von Ladies' Day . Als ihr da alle umgekippt seid wie die Kegel, hat jemand in der Redaktion angerufen, und die Redaktion hat wieder bei Ladies' Day angerufen, und dann haben sie alles untersucht, was von dem großartigen Essen noch übrig war. Ha!«
    »Ha!« wiederholte ich schwach. Es war gut, daß Doreen wieder da war.
    »Sie haben Geschenke geschickt«, fügte sie hinzu. »Sie sind in einem großen Karton draußen auf dem Gang.«
    »So schnell? Wie kann das sein?«
    »Mit Expreßboten, was denkst denn du? Die können es sich nicht leisten, wenn ihr überall herumlauft und erzählt, ihr wärt bei Ladies' Day vergiftet worden. Ihr könntet sie auf jeden Pfennig, den sie besitzen, verklagen, wenn ihr einen schlauen Anwalt kennt.«
    »Was sind das für Geschenke?« Inzwischen war ich geneigt, wenn das Geschenk gut genug wäre, das Geschehene nicht weiter übelzunehmen, weil ich mir plötzlich so rein vorkam.
    »Den Karton hat noch niemand aufgemacht, alle liegen flach. Ich soll allen Suppe bringen, bin ja die einzige, die noch auf den Beinen ist, aber dir habe ich sie zuerst gebracht.«
    »Sieh nach, was für ein Geschenk es ist«, bettelte ich. Dann besann ich mich und sagte: »Für dich habe ich auch ein Geschenk.«
    Doreen ging hinaus in den Flur. Ich hörte sie einen Augenblick rascheln, dann das Geräusch von zerreißendem Papier. Schließlich kam sie mit einem dicken Buch zurück, es hatte einen glänzenden Umschlag, der über und über mit Namen bedruckt war.
    »Die dreißig besten Kurzgeschichten des Jahres.« Sie legte mir das Buch in den Schoß. »Es sind noch elf draußen in der Schachtel. Die haben sich wohl gedacht, da hättet ihr was zu lesen, solange ihr krank seid.« Sie hielt inne. »Und wo ist meines?«
    Ich kramte in meiner Handtasche und überreichte Doreen denSpiegel mit ihrem Namen und den Gänseblümchen drumherum. Doreen sah mich an, ich sah sie an, und dann mußten wir beide lachen.
    »Du kannst meine Suppe haben, wenn du willst«, sagte sie. »Sie haben irrtümlich zwölf Suppen auf das Tablett gestellt, aber Lenny und ich, wir haben uns so mit Hotdogs vollgestopft, als wir auf das Ende des Regens warteten, daß ich nichts mehr herunterbekomme.«
    »Bring sie her«, sagte ich. »Ich verhungere.«

Fünf
    Am nächsten Morgen um sieben klingelte das Telefon.
    Langsam tauchte ich vom Grund eines schwarzen Schlafes auf. Hinter meinem Spiegel steckte schon ein Telegramm von Jay Cee, ich sollte nur ja nicht zur Arbeit kommen, sondern mich einen Tag ausruhen und erholen, und wie leid ihr die Sache mit dem verdorbenen Krabbenfleisch tue – deshalb fiel mir niemand ein, der mich noch hätte anrufen können.
    Ich griff nach dem Hörer und drückte ihn in mein Kopfkissen, so daß die Sprechmuschel auf meinem Schlüsselbein lag und die Hörmuschel auf meiner Schulter.
    »Hallo?«
    Eine Männerstimme fragte: »Ist dort Miss Esther Greenwood?« Ich glaubte, einen leicht ausländischen Akzent zu erkennen.
    »Allerdings«, sagte ich.
    »Hier spricht Constantin Soundso.«
    Den Nachnamen verstand ich nicht, aber es wimmelte in ihm von K's und S's. Ich kannte keinen Constantin, aber ich traute mich nicht, es zu sagen.
    Da fielen mir Mrs. Willard und ihr Simultandolmetscher ein.
    »Ach ja, natürlich!« rief ich, setzte mich aufrecht und nahm den Hörer in beide Hände.
    Nie hätte ich Mrs. Willard zugetraut, daß sie mich mit einem Mann namens Constantin bekannt machen würde.
    Ich sammelte Männer mit interessanten Namen. Ich kannte schon einen Sokrates. Er war groß, häßlich und intellektuell, der Sohn irgendeines wichtigen griechischen Filmproduzenten in Hollywood, aber auch katholisch, und deshalb war es mit uns nichts geworden. Außer diesem Sokrates kannte ich noch einen Weißrussen namens Attila von

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