Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
Konzilsteilnehmer statt, bei der ich nicht fehlen darf, sonst spuckt mir dieser unsägliche Protestant Hagen noch in die Suppe.«
Eine Verbeugung erschien ihm überflüssig. Er wandte sich ohne Gruß ab und ging zur Tür. Dort holte ihn die Stimme Madruzzos ein, in der die Genugtuung für kurze Zeit über die Qual dominierte.
»Bevor ich es vergesse, Bruder de Soto: Euer Mitbruder Carissimi, den Ihr so sehr liebt und schätzt, ist keineswegs erledigt. Der Heilige Vater hat ihn nicht abgesetzt, sondern befohlen, dass die Ermittlungen von nun an von zwei Visitatoren geführt werden.«
Luis hatte seine Mimik normalerweise unter Kontrolle, aber diesmal bemerkte Madruzzo seine Überraschung und Betroffenheit, denn trotz seiner Schmerzen rang Madruzzo sich ein Lächeln ab.
»Das war Euch nicht bekannt? Oh, wie bedauerlich! Es scheint, Julius hört nicht nur auf Euch. Hauptmann Forli erzählte mir, dass Carissimi neulich Innocento del Monte vor einem Attentat bewahrte. Wenn Ihr also Carissimi aus dem Weg räumen wollt, müsst Ihr Euch mit dem Sohn des Papstes anlegen. Noch einen schönen Tag und Gott zum Gruß, Bruder.«
Sie hatte die Skizzen in wenigen Minuten gezeichnet: Kain und Abel hatten gestritten, dann hatte Abel sich abgewandt, und Kain hatte den Bruder erschlagen. Abel lag nackt auf dem Boden, aus einer Wunde blutend, und Kain stand daneben, nicht glücklich und nicht unglücklich über seine Tat, so als hätte er einen Baum gefällt. Das Licht war erloschen. Gott war abwesend. Das Fehlen des Lichts bedeutete die Abwesenheit Gottes.
Als Matthias kam, war sie bereits mit der Umsetzung des Entwurfs beschäftigt. Er war guter Laune wie ein Kaufmann, der soeben ein rentables Geschäft abgeschlossen hatte, und überreichte ihr einen Korb mit Äpfeln und Trauben. Sie freute sich, ihn zu sehen. Irgendwie wirkte er unbesiegbar mit seinem Charme, den dichten, blonden Locken, den breiten Schultern und dem etwas hochmütigen Zug um den Mund. Seine Blaumurmeln strahlten, als er ihr noch ein anderes Geschenk machte: Eine Kette mit Kruzifix. Ohne sie zu fragen, legte er sie ihr von hinten um den Hals und sorgte mit zärtlichen Bewegungen dafür, dass ihre Haare sich nicht in der Kette verfingen. Er küsste sie auf den Nacken. Seine Hände hielten ihre Schultern fest umklammert wie etwas, das man zusammendrücken möchte. Er tat ihr nicht weh, er beherrschte sie, das war alles. Er hatte sie immer beherrscht. Als sie jung waren, waren es seine Stimme und Fäuste gewesen, die Antonia verteidigt, seine Augen, die sie und jeden anderen gefangengenommen hatten. Und auch später, als ihre Wege sich trennten, hatte er Antonia beherrscht: Sein Name war der Stern gewesen, der die Liebe verkörperte, etwas Unerreichbares. Im Grunde war Matthias nie fort gewesen, er war immer da, lenkte ihre Gedanken, ihre Wünsche. Sogar die Menschen, die gegen ihn gewesen waren, hatten sich am Ende geschlagen geben müssen, wie Adelheid, die ihm eine würdevolle Bestattung verdankte.
»Du hast mir gefehlt«, sagte er. »Ich bin vorhin schon einmal hier gewesen, aber du warst fort.«
»Bei Carlotta.«
»Sie wird von Sandro verhört, richtig?«
»Er war dort«, sagte sie nur.
»Hast du mit ihm gesprochen?«
»Ich war da, er war da – wie hätten wir vermeiden können, miteinander zu sprechen?«
»Der Tod von Cespedes wird ihm ganz schön zu schaffen machen. Ich glaube, Sandro ist bald Vergangenheit.«
Sie mochte es nicht, wenn er so redete, und das merkte er. Vielleicht bemerkte er sogar etwas an ihr, das sie selbst noch nicht bemerkt hatte, vielleicht las er in ihren Gefühlen wie in einem Buch, dessen Sprache er verstand, sie jedoch nicht.
Er sah er über ihre Schulter hinweg zu einem Punkt am anderen Ende des Ateliers, und in diesem Moment fiel ihr ein, dass sie das Fenster, den Engel und das Mädchen, nicht weggeräumt hatte. Das hatte sie wegen der Arbeit an den Skizzen von Kain und Abel schlicht vergessen.
Matthias ging ganz langsam um die Staffelei herum, als betrachte er einen Akt. Dann sah er sie an und kam zurück.
Sie war unsicher, was geschehen würde. Als er nahe bei ihr war, erschrak sie, als sie den Blick der Blaumurmeln in sich eindringen fühlte. Wie alles, was leuchtete, fand sie diese Augen faszinierend, aber es lag auch etwas Gespenstisches in ihnen, etwas, das sie beunruhigte.
Er küsste sie und weckte damit ihre Lust. Sein Kuss war fordernd, gierig, kaltblütig. Bereitwillig gab sie ihm alles, was sie zu geben
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