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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Augen, ihr Körper glüht, fällt, dann ist es vorbei. Dunkelheit. Erst Tage später wacht sie zu Hause auf, ohne Erinnerung. Nur Masken. Nur Phantome.
    Heute, zwanzig Jahre später, quoll diese Erinnerung mit einem Schlag hervor. Sie war sprachlos. Ihr Verstand jedoch verknüpfte mit atemberaubender Geschwindigkeit alles, was sie nie verstanden hatte.
    Du …«, sagte sie. »Du hast dich – von deinem Vater anstiften lassen.«
    Er sah sie wie eine Verrückte an. »Was redest du für ein Zeug! Mein Vater ist seit Langem tot.«
    »Du hast – hast versucht, es wiedergutzumachen, hast mir Gebäck gebracht, hast mir beigestanden, warst mein – mein Ritter. All die Jahre … Deine Treue, deine Hilfe, das war schlechtes Gewissen, bohrendes Schuldgefühl …«
    Nun verstand er, worauf sie hinauswollte. Der Druck seiner Arme wurde schwächer. »Du warst doch meine Liebe, Antonia. Als ich dich im Münster sah, ist mein Herz zersprungen vor Angst, dass du mich hassen könntest, und als ich merkte, dass du deine Erinnerung verloren hast, habe ich geschwiegen. Meinem Vater habe ich gesagt, dass ich weglaufen würde, falls er es dir jemals verriete. Versteh bitte, ich war nur ein Junge, der seinem Vater gefallen wollte. Es waren andere Zeiten, Revolutionsjahre, Reformationsjahre, da ging es überall drüber und drunter. Ich habe nicht gewollt, dass du mich im Münster siehst. Wenn ich geahnt hätte …«
    Sie hatte genug gehört. Es tat ihr weh, doch gleichzeitig löste sich ein Gefühl in ihr auf. Etwas, das über sie geherrscht hatte, verlor seine Substanz und verflog. Matthias war der Junge, der ihr über schwere Jahre hinweggeholfen hatte, auch wenn er es nur zum Teil aus Sympathie tat, zum anderen Teil aus Reue. Er war der Jugendfreund, die Sehnsucht für lange Jahre. Er war die Vergangenheit. Die Zukunft war er nicht mehr.
    Sie machte sich von ihm los und ging. Eine Weile folgte er ihr, die Treppe hinunter, zur Tür, ein paar Meter durch die Gasse. Immerzu redete er, seine Stimme pendelte dabei zwischen Flehen und Vorwurf hin und her, doch was er sagte, hörte sie nicht. Sie nahm ihn kaum noch wahr. Irgendwann war er weg, ganz weg.
    Sie weinte. Nicht um Matthias, sondern um eine Liebe, die sie nicht mehr spürte, die vielleicht schon seit zwölf Jahren nicht mehr existierte, die nur ein Scheingebilde gewesen war, gehegt und gepflegt, beatmet von den Küssen fremder Männer. Den jungen Matthias hatte sie womöglich geliebt. Den Matthias von heute hatte sie nur begehrt, und nun nicht einmal mehr das.
    Ihre Schritte waren gleichmäßig, nicht schnell und nicht langsam. Sie hörte sie. Sie ging an den geschlossenen Türen und Fensterläden vorbei durch leere, steinerne Schluchten. Die Glocken läuteten noch immer, doch langsamer und schicksalsträchtiger. Vor dem Dom reihte sich eine Anzahl Novizen in weißen Kutten auf.

19
    Julius wusste: Wenn ein Papst in eine Stadt einzog, war das ein Vorgang mit überirdischen Dimensionen, dem man voller Ehrfurcht, Angst und Ohnmacht entgegensah, ähnlich dem Herannahen des Jüngsten Gerichts. Mein Gott, man konnte als Gastgeber so viel falsch machen! Die weitere Karriere hing womöglich davon ab. Sollte man viel Aufwand treiben oder eher bescheiden sein? Sollte man die Maler beauftragen, Bildwerke des feierlichen Augenblicks zu entwerfen, oder sollte man den Besuch eher verschwiegen behandeln? Sollte man die Bürger teilhaben lassen oder auf Distanz halten? Sollte man Kolonnen von Bittstellern und Bewunderern zulassen oder den Heiligen Vater lieber schnell in seine Gemächer geleiten? Und welche Gemächer wären die richtigen? Sie mussten warm sein und groß und prunkvoll und gut gelegen – meistens also innerhalb der eigenen Residenz. Doch dann wäre der Papst nicht der Hausherr, was auch wieder Probleme aufwarf. Normalerweise beschäftigten sich Zeremonienmeister des Papstes und des Gastgebers mit solchen Fragen, und meistens zerstritten sie sich heillos über die Details. Sie verhandelten oft noch, wenn der Tross bereits in Sichtweite war.
    Aber auch für einen Papst war es nicht einfach. Jede Fahne, jedes Wappen, jede Geste, jeder gewählte Stil symbolisierte etwas – oder wurde sogleich als Symbol für etwas gewertet -, und das konnte weitreichende diplomatische Konsequenzen nach sich ziehen. Betonte man – zum Beispiel mittels der Kleidung – den Weltherrschaftsanspruch der Kirche, fühlten sich die Monarchen angegriffen, versteckte man ihn, verprellte man die Kardinäle und

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