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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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war jedenfalls nicht die geläufige Anrede eines Landesherren für einen Kanzleisekretär.
    Sie griff nach dem Brief.
    »Antonia!«
    »Matthias!« Sie stand auf. »Ich – ich wollte sehen, wie du wohnst, daher bin ich – hier herübergegangen.«
    »Das macht doch nichts.«
    Er sah aus wie immer: wie vor einem Triumphzug. Liebenswürdig, aber bestimmt, geleitete er sie wieder in den anderen Raum und schloss die Tür hinter sich. Er befahl, Portwein zu bringen, der offenbar nicht bereitstand, sondern eigens aus der Küche heraufgebracht werden musste.
    Kaum waren sie allein, zog er sie an sich und küsste sie mit dergleichen Heftigkeit, die sie an viele ihrer Liebhaber erinnerte, die in ihrem Mund wie in einem Wäschebottich herumgerührt hatten.
    »Ich hörte, du bist in Schwierigkeiten«, sagte er. »Du hast eine Verrückte beherbergt, die des Mordes verdächtigt wird. Das sieht nicht gut aus. Zuerst diese Hure, die Hexe, die mit deinem Vater liiert ist, und jetzt das irre Mädchen. Nur gut, dass ich wegen meines Botschafterranges einen gewissen Einfluss habe, den ich gerne für dich verwende.«
    »Danke«, sagte sie und löste sich ein wenig aus seinem allzu festen Griff.
    »Es wäre hilfreich«, fuhr er fort, »wenn du den Behörden den Aufenthaltsort des Mädchens mitteilen würdest.«
    »Ich weiß nicht, wo sie sich aufhält.«
    Matthias grinste ungläubig. Er war viel zu intelligent, um ihr diese Behauptung abzunehmen, aber er ging nicht weiter darauf ein.
    »Solange dein Vater verschwunden ist, kann ich ihn nicht um deine Hand bitten.«
    »Die Chancen für seine Zustimmung sind gestiegen, seit Toulouse passé und Carlotta teilweise entlastet ist.«
    »So? Ich verfolge diese Dinge nicht so genau.«
    »Toulouse, das ist dein Werk.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Du hast Villefranche dazu gebracht, den Auftrag zurückzunehmen, nicht wahr?«
    Der Portwein wurde serviert. Matthias nahm sich ein Glas, doch Antonia lehnte ihres ab.
    »Du solltest trinken«, sagte er. »Das beruhigt.«
    »Also ist es wahr. Wie hast du das geschafft? Wie, in aller Welt, hast du einen französischen Erzbischof innerhalb von zwei Stunden dazu gebracht, nach deiner Flöte zu tanzen?«
    Seine Blaumurmeln wurden kälter. Er trank den Portwein in großen Schlucken in sich hinein.
    »Du hast immer alle irgendwie auf deine Seite gebracht«, sagte sie. »Dein Vater hat an dich geglaubt, ich habe an dich geglaubt. Berthold warst du ein guter Sohn, mir ein guter Freund, für Berthold ein Protestant, für mich ein religiös Gleichgültiger. Es ist dein Geheimnis, wie du es für jeden hinkriegst, in dir denjenigen zu sehen, den man sehen will. Kein Wunder, dass du Diplomat geworden bist.«
    Sie griff nach dem Glas und leerte es in einem Zug.
    »Du beherrschst alle. Wir Menschen sind doch nur deine – deine Gliederpuppen. Sandros Mutter hast du den Sohn genommen, Sandro hast du die Mutter genommen, und damit zwei Leben völlig deformiert. Wie der Blitz fährst du in Existenzen hinein und zerstörst sie oder verleibst sie dir ein.«
    Sie trank noch ein weiteres Glas Portwein.
    »Und ich bin dein nächstes Opfer«, fuhr sie fort. »Du willst mich besitzen, also nimmst du mir die Luft, die ich zum Atmen benötige. Wozu braucht Antonia Glasmalerei, wenn sie Matthias haben kann?«
    Da sie schwankte, hielt er sie an der Taille fest. Sie spürte seine Wange an ihrer, roch die Seife, wurde von seinem blauen Blick gelockt.
    »Du bist ungerecht«, flüsterte er, es war so vertraueneinflößend wie das Gurren einer Taube. »Habe ich dir nicht immer beigestanden. War ich nicht dein Kavalier, der Ritter, der mit deinen Farben im Ärmel gekämpft hat? Habe ich das etwa für mich getan? Habe ich mich aus Selbstsucht den Angriffen der Ulmer Kinder ausgesetzt? Hätte ich es nicht leichter gehabt, dich fallenzulassen?«
    Ihr schwindelte vom Portwein genauso wie vor seinen Wahrheiten. Er hatte recht. Sie hatte keine Antworten, keine Argumente dagegen. Wieso setzte sie ihm derart zu? Sie wusste ja selbst nicht, was sie wollte, warum sie hergekommen war, warum sie, seit sie mit Matthias geschlafen hatte, nicht mehr dasselbe für ihn fühlte wie vorher.
    »Ja, ich bin ungerecht«, sagte sie und merkte, wie die Kraft sie verließ. »Du warst für mich da, jahrelang, ein Opfer an meiner Seite. Das ist ein Mysterium, das ich nicht erklären kann.«
    »Siehst du? Damit bricht deine ganze Argumentationskette zusammen. Schön, ich habe Villefranche beeinflusst, und es war ein

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