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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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hundertfaches Hufgeklapper heran sowie der Lärm von Rädern, die über das Pflaster rollten. Der Papst war in Trient angekommen.
    Matthias fand seine Sprache wieder. »Das – das ist unmöglich, Antonia. Der Herzog wäre – ganz Württemberg ist protestantisch – ich wäre mit einem Mal ein – und dann ist da noch meine Überzeugung. Katholik, das ist undenkbar. Undenkbar! Versteh mich doch, das geht nicht …«
    Sie senkte den Kopf. »Nein, das geht wohl wirklich nicht, ich habe auch nicht damit gerechnet, dass es geht. Eine solch immense Liebe ist den Hagen nicht gegeben. Berthold: ein verkniffener Religionseiferer, der seiner Frau das Leben zur Hölle machte. Elise: eine Mutter, die ihren unschuldigen Sohn aufgab und einem Tyrannen überließ. Matthias: beider Frucht.«
    Sie trank ein weiteres Glas Portwein. »Ich war drauf und dran, alles für dich aufzugeben: die Glasmalerei, die Kathedralen, den Katholizismus, die Männer …«
    Beim Einschenken des Portweins warf er sein Glas um. »Und Sandro? Ihn auch? Du rennst hinter seinem hübschen Gesicht her.«
    »Das stimmt nicht.« Es stimmte nicht. Sandros Gesicht – wenn es nur das wäre!
    »Sein Gesicht, das ist alles, was er hat, mehr wird er nie besitzen. Er ist ein Mönch, ein Hampelmann an einem Faden, an meinem Faden, ein Versager, ein Niemand, eine Null …«
    »Ich werde dich nicht heiraten, Matthias.«
    »Hast du mit ihm geschlafen?«
    »Nein.«
    »Siehst du, nicht einmal das kriegt er hin. Unterwirft sich seinem Gelübde, versteckt sich hinter Soutanen wie ein ängstliches Bübchen …«
    »Ich werde jetzt gehen.«
    Er riss sie an den Schultern herum und hielt sie fest. Alles, was an Zorn in ihm war, floss in sein Gesicht, seine Augen … Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie Matthias noch nie zornig gesehen hatte. Meistens wirkte er willensstark, entschlossen, manchmal enttäuscht, traurig, nachdenklich, gelegentlich fröhlich, selten einmal ärgerlich oder schlecht gelaunt. Wütend, entfesselt, so kannte sie ihn nicht.
    Oder?
    Diese Augen, diese schönen Blaumurmeln, verwandelten sich, gehörten plötzlich zu einer verzerrten Fratze, rasend vor Fanatismus. Er stand vor ihr, kam näher.
    »O mein Gott«, sagte sie. »O Gott, das kann doch nicht...«
    Sie berührte sein Gesicht, so wie man im Traum manchmal die Hand nach etwas ausstreckt. Sie berührte den Zorn.
    Die Scherben fielen zu Boden, es gab einen gewaltigen Lärm, so als würden die Mauern bersten. Schreie. Hass. Sie war allein, und die Welt erbebte.
    »Was ist?«, sagte er. »Warum schaust du mich so an?«
    Sie konnte nicht antworten. Die Erinnerung kehrte, wie von Funken erhellt, zurück.
    Sie steht im Münster. Sieht die Waffen, die Stöcke. Neben ihr stürzt der heilige Colomban, sein Kopf rollt an ihr vorbei und macht dabei ein grollendes Geräusch. Sie wendet sich um, hinter ihr zerbricht ein Altar, ein Gemälde wird an die Wand geschlagen, auf der die Mutter Maria gen Himmel steigt. Dann ein Klirren. Sie sieht, woher es kommt, und schreit: Nein. Nein. Nein. Ihre Rufe sind die einer Zwergin, die gegen den Orkan anschreit. Niemand achtet auf sie. Sie erkennt die Gesichter der Menschen: den Bäcker, bei dem Adelheid ihr Mehl einkauft, obwohl sie glaubt, dass seine Waage ihn begünstigt; den Geldverleiher, der kein Erbarmen kennt; die drei Söhne des Pastors, die Spaß an der Vernichtung haben; zwei ehemalige Mönche mit kugelrunden Bäuchen; Berthold Hagen, der in der Mitte des Langhauses steht, die Fäuste geballt, und die Stimme erhebt wie ein düsterer Prophet. Die Fenster zerspringen, und sie glaubt, sie zerspringt mit ihnen. Sie irrt herum, geht über Scherben, ihre Füße bluten. Dann sieht sie jemanden, kein bekanntes, sondern ein vertrautes Gesicht. Er ist es, Matthias. Sie ruft seinen Namen, denn sie glaubt, er sei hier, um sie zu holen. Obwohl er nur ein paar Schritte von ihr entfernt ist, bemerkt er sie nicht. Als sie seine Augen sieht, schreckt sie zurück: Matthias befindet sich in einem Rausch, dem Rausch der Barbarei. Er schlägt mit einem Stock auf alles ein, das alt ist, auf Steine, Gefäße, Bilder, Stiftertafeln … Er nimmt einen Leuchter und schleudert ihn in den Unterleib eines Fensters. Als es bricht, stößt er ein irres Lachen aus. In diesem Moment blickt er zur Seite – und er sieht sie. Sofort verwandelt er sich, alles fällt ihm aus der Hand. Er geht auf sie zu. Antonia, sagt er, mehr weiß er nicht zu sagen. Als er direkt vor ihr steht, wird ihr schwarz vor

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