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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Fehler, dir nichts davon zu erzählen. Willst du mir verübeln, dass ich dich liebe?«
    Wie zuversichtlich er schon wieder klang, wie überzeugend. Dabei hatte sie ihm eben noch die finstersten Gemeinheiten unterstellt. Sie fühlte sich sehr schwach – nicht körperlich, das nur ein bisschen -, aber irgendein uralter Reflex sorgte dafür, dass sie Matthias alles glaubte, alles verzieh, auch seine Dominanz. Andererseits wusste sie, dass Matthias brillant war, deshalb war er nach Trient geschickt worden. Wortakrobaten wie er, verbunden mit den magischen Blaumurmeln, konnten Lahme davon überzeugen aufzustehen. Wer konnte schon sagen, wie Matthias wirklich war? Er gehörte einer Familie von Maskenträgern an.
    Masken … dieses Wort ging ihr bereits den ganzen Tag im Kopf herum, seit ihrem Traum.
    Sie schmiegte sich an ihn und dachte an den Jungen und das Mädchen von damals, ihn und sie. »Seit wann liebst du mich?«
    »Seit ich dein Ritter sein durfte.«
    »Ich war kein schönes Mädchen, das nun wirklich nicht. Ich war ein verletzlicher kleiner Vogel, und du hast mich beschützt. Oft habe ich mich gefragt, warum? Was hatte dieses verachtete, ausgestoßene, unscheinbare, verstörte Mädchen bloß an sich, außer die völlige Ergebenheit für seinen Ritter? In all den Jahren, als wir uns verloren hatten, hast du mich da auch geliebt?«
    »Aber ja.«
    »Und deine Frau? Hast du sie genauso geliebt?«
    Sie spürte ein leises Vibrieren seiner Hände auf ihrem Rücken.
    »Ich hatte dich doch gebeten, mir keine Fragen darüber zu stellen. Das alles ist sehr schmerzhaft, weißt du?«
    »Deine Kinder hast du auch verloren.«
    »Sie hatte viele Fehlgeburten.«
    »Wie viele?«
    Er zögerte. »Sechs.«
    »Sechs Fehlgeburten! Das ist unfassbar! Ein Verbrechen! Beinahe ein Feldzug des Himmels. Dir jedenfalls muss es so vorgekommen sein.«
    Er schob sie ein wenig von sich weg und schenkte Portwein nach, wobei sich links und rechts des Glases kleine rote Pfützen bildeten, die er verwischte, als er das leere Glas wieder abstellte.
    »Dein Gerede macht mich ganz nervös. Ich habe gesagt, dass ich dich liebe, das reicht doch wohl. Was willst du noch?«
    Ein einziges Mal wollte sie verstehen, was er an ihr liebte. Sie hatte sie nie verstanden, diese Nibelungentreue, diese Verehrung für das Mädchen Antonia. Jeder Bitte, jedem Befehl seines Vaters hatte er damals Folge geleistet, hatte sich schlichter gekleidet, hatte sich eine pastorale Mimik zugelegt, hatte seinem Medizinstudium zugunsten der Jurisprudenz entsagt … Nur ihr, ihr war er treu geblieben, obwohl Berthold gewiss versucht hatte, sie bei ihm schlechtzumachen. Wäre die Geschichte mit seiner Mutter nicht gewesen, der Katholikin Elise-Elisa, die Berthold seinem Sohn auf dem Sterbebett erzählte, dann wäre sie schon seit vielen Jahren Frau Hagen. Bereute er seine Entscheidung von damals? Wenn ja, warum? Hatte er sie wirklich all die Jahre geliebt, oder fühlte er sich nur von seinem Gott bestraft und wollte ihn jetzt besänftigen, indem er wiedergutmachte, was er einst versäumte?
    Masken...
    »Ich schlafe mit anderen Männern«, sagte sie. »Das dürfte dir gestern nicht entgangen sein. Ich bin keine Jungfrau mehr, ich bin erfahren.«
    Er trank einen großen Schluck Portwein, sie trank einen großen Schluck Portwein.
    »Das alles will ich nicht wissen«, sagte er.
    »Der Matthias der Gegenwart müsste es eigentlich wissen wollen. Ein frommer Protestant …«
    »So fromm bin ich nicht.«
    »Du bist es, sobald ich nicht da bin. Neulich Abend sah es hier aus wie an der Tafel des Dionysos, und heute, wo du mich nicht erwartet hast, sieht es aus wie bei Berthold Hagen, streng, schlicht, überall der leidende Jesus. Und da ist noch etwas, das mich beschäftigt: Im Gegensatz zu deiner ersten Frau bin ich nicht vermögend, und mein Einfluss beschränkt sich auf die Darstellung der Bibel. Ich bin also ›nicht standesgemäß‹.«
    Er trank einen Schluck Portwein. »Ich bin nur Kanzleisekretär und Gesandter, nicht Minister.«
    »Du bist ›Mein lieber Hagen‹, das ist doch schon etwas.«
    Er schreckte auf. »Hast du etwa meine Korrespondenz gelesen?«
    Sie trank ein Glas Portwein. »Nein.«
    Das erleichterte ihn sichtlich. »Ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe, und diese Liebe ist der Grund für alles. Ist das so schwer zu verstehen?«
    »Dann werde Katholik«, sagte sie.
    Ihm entglitten alle sonst so beherrschten Gesichtszüge. Totenstille im Raum. Von weither drang

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