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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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in Innocentos Begleitung trug die Kleidung eines Schmieds, ein anderer war Küchengeselle und der dritte einfacher Dienstgrad der Stadtwache, dessen Helm wie ein Schiff bei schwerem Seegang Schlagseite hatte. Sie lachten und lagen einander in den Armen, wobei der Küchenjunge so weit ging, sich auf der Schulter des Kardinals abzustützen, was diesen keineswegs störte. Gemeinsam verströmte das Quintett den Geruch sauren Weins.
    »Eminenz«, grüßte Sandro und verneigte sich, sorgte damit allerdings nur für Amüsement.
    »Er hat dich Eminenz genannt«, kicherte der junge Schmied. »Eminenz. Ich dachte immer, das is’ was Essbares.«
    »Essbar nich«, lallte der Küchenjunge. »Aber genießbar.«
    Alle lachten. Sandro lächelte ein bisschen. Das Betragen des jungen Kardinals störte ihn nicht, im Gegenteil, es erinnerte ihn an seine eigenen Streifzüge mit Freunden, bei denen es auch immer wild und albern zugegangen war. Allerdings war Sandro kein Kardinal gewesen, kein Konzilsdelegierter und schon gar nicht der Sohn des Papstes. Kaufmannssöhnen sah man solches Betragen nach. Geistlichen hingegen sah man es nur nach, wenn es nicht öffentlich passierte.
    »Wenn ich Euch allein sprechen dürfte, Eminenz. Es ist außerordentlich wichtig.«
    »Hört ihr?«, rief Innocento. »Der Visitator Seiner Heiligkeit kommt nicht in einer wichtigen, sondern in einer außerordentlich wichtigen Angelegenheit zu mir. Wäre sie nur wichtig gewesen, hätte ich ihn fortgeschickt. Aber so … Leute, ihr müsst mich entschuldigen.«
    »Bei wem?«, lallte der Soldat und lachte. »Beim Wirt des Cigno, dem du ein Bein gestellt hast? Oder bei dem Säufer Bruno, dem du zwölf Biere spendiert, aber das dreizehnte verweigert hast?«
    »O Mann«, sagte der Küchenjunge. »Entschuldigen, damit meint Innocento, er muss sich jetzt zurückziehen.«
    Der Soldat ahmte eine Trommel nach. »Rückzug. Verschanzt euch. Die Lanzen heraus.«
    Die vier jungen Männer alberten noch eine Weile herum, während Sandro sich geduldete und an Bruno Bolco dachte. Aaron hatte ihm berichtet, dass es Bruno besser ging. Aarons Onkel hatte ihm ein stärkendes Tonikum verabreicht, ihm viel Wasser zu trinken gegeben und ihn gezwungen, vier Scheiben Brot und Käse zu essen. Zum Schluss gab es noch ein Stück Honigkuchen. Danach kehrte Brunos Gesichtsfarbe zurück. Er zitterte nicht mehr, lief wie ein Gesunder herum und äußerte den Wunsch, in seine Wohnung zurückzukehren. Sandro gestattete es. Natürlich war ihm klar, dass Bruno nicht geheilt war, doch es gab keinen Grund, ihn länger festzuhalten. Matthias hatte gestanden, bei Bertani gewesen zu sein, und damit war Bruno kein wichtiger Zeuge mehr. Der Arzt hatte ihm eine Flasche des Tonikums sowie die Reste von Brot und Käse mitgegeben. Wie es schien, hatte Bruno ein andere Medizin bevorzugt – und jemanden gefunden, der sie ihm bezahlte.
    Endlich war er mit Innocento allein. Die Begleiter blieben in der kalten Vorhalle des Palazzos zurück, wo sie sich an vier Krügen mit Wein laben durften. Innocento führte Sandro in einen eher kleinen und warmen Raum voll mit Kaminen, Möbeln, brennenden Kerzen und persönlichen Habseligkeiten, zu denen auch ein Hund gehörte, der kläglich jaulte und seinem Herrn müde entgegentrottete.
    »Boccaccio«, sagte Innocento und kniete sich nieder. Er kraulte das Tier und umarmte es, wobei sein Kopf für die Dauer mehrerer Atemzüge am Ohr Boccaccios verweilte.
    »Wie geht es dir? Hast du wieder nichts gefressen? Du bist mager, alter Junge, so entsetzlich mager. Ist das nicht eine Ironie? Früher hatten wir beide fast nichts zu beißen und haben das Wenige, das wir ergattern konnten, mit großem Appetit gegessen. Vergammelte Kohlköpfe für mich, Ratten für dich. Und jetzt, wo ich ein reicher Kardinal bin und wir die beste Speise der Welt vorgesetzt bekommen, bist du zu alt, um sie zu schätzen.« Und leise fügte er hinzu: »Ich verstehe dich gut.«
    Boccaccio trottete auf seine Decke zurück, und Innocento sah ihm traurig nach.
    »Euer Hund«, sagte Sandro, »hat einen ungewöhnlichen Namen, Eminenz. Ist er nach dem Dichter des vierzehnten Jahrhunderts benannt?«
    »Ja, er ist ihm ähnlich, wisst Ihr?«
    Sandro schmunzelte. »In welcher Weise?«
    »Seht ihn Euch an«, sagte Innocento. »Mein Boccaccio erzählt auch eine Geschichte, halb Liebe und halb Traurigkeit. Ein Leben in Armut, verfolgt und geschmäht und verkannt, mit Steinen beworfen, mit Peitschen geschlagen, nirgends

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