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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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willkommen. Ein Straßenköter. Ich war zehn Jahre alt, als ich ihn fand, oder besser, als er zu mir kam. Seither gehören wir zusammen. Wir lieben uns. Ich liebe überhaupt nur zwei Wesen auf der Erde.«
    Seine Melancholie, eben noch übermächtig, war plötzlich wie weggewischt. Schnurstracks ging er zum Weinkrug. Obwohl kostbare Kelche bereitstanden, schenkte er zwei einfache Tonbecher voll und reichte Sandro einen davon. Seinen Becher trank er in einem Zug aus, schenkte sich nach, wischte sich mit dem Ärmel des Gewandes über den Mund, warf sich in einen Sessel, wippte mit den Beinen und bot Sandro Platz auf der bequemen Ottomane an.
    »Was führt Euch her, Carissimi? Wie Ihr seht, lebe ich noch. Womit kann ich Euch sonst noch einen Gefallen erweisen?«
    »Diesmal, Eminenz, bin ich wegen meines Lebens hier. Wie Ihr wisst, habe ich den württembergischen Gesandten verhaftet.«
    »Ja, das war das einzig Interessante während dieser langweiligen Eröffnungssitzung.«
    »Die Verhaftung war ungerechtfertigt.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, ich habe Matthias Hagen wieder freilassen müssen.«
    »Das ist mir neu«, sagte Innocento gelangweilt und leerte den Becher.
    »Da seid Ihr allein. Die Delegierten reden über nichts anderes mehr.«
    »Verhandlungen und Intrigen, Gewispere und Gesäusel interessieren mich nicht besonders, das habe ich Euch ja schon gesagt. Zur Nachmittagssitzung des Konzils bin ich gar nicht erst erschienen, sondern habe mir ein paar Freunde gesucht. Das ist wenigstens ein bisschen lustig.«
    »Aber äußerst gefährlich, Eminenz. Ich hatte Euch gebeten, immer einen Soldaten als Begleitung mitzunehmen.«
    »Das habe ich. Ihr habt ihn eben gesehen.«
    »Der Betrunkene?«
    »Ich habe ihn eingeladen. Er heißt – Rinaldo. Oder war es – Ruggiero? Roberto? Jedenfalls etwas mit R.«
    Er ließ sich noch weiter in den Sessel sinken und schloss die Lider zur Hälfte. »Ihr habt von Eurem Leben gesprochen. Was ist damit?«
    »Das Konzil ist von mir in Unruhe versetzt worden, und Seine Heiligkeit wird verärgert sein.«
    »Ganz bestimmt wird er das«, sagte Innocento. Noch lallte er nicht, aber seine Stimme bekam bereits etwas Geschmeidiges. »So großzügig er ist, wenn alles nach seinen Plänen geht, so rabiat ist er, wenn man ihm in die Quere kommt oder nicht tut, was er sagt. Ich kann ein Lied davon singen. Ich bin sein Sohn.«
    Er füllte den Becher ein drittes Mal und trank ihn zur Hälfte leer.
    »Ihr wollt, dass ich mich für Euch einsetze? Ich sage Euch etwas: Ich werde mich für Euch einsetzen. Ich schreibe meinem geliebten Vater einen Brief. Und was für einen! Ich werde ihm schreiben, dass ich mich unter Eurer Fürsorge völlig beschützt fühle, ja, dass Ihr Tag und Nacht über mich wacht und meine Sicherheit über alles stellt. Dass Ihr Eure Aufgabe so ernst nehmt wie ein Sakrament. Ist ein solcher Vergleich erlaubt oder blasphemisch? Wen juckt’s, ich bin der Sohn von Jesu Stellvertreter.«
    »Gottes Stellvertreter«, korrigierte Sandro geduldig.
    »Ich dachte, das ist dasselbe. Wie dem auch sei. Ich schreibe Papa Julius, dass mir nichts passieren wird und dass ich Euch vollkommen vertraue. Ja, das werde für Euch tun. Ihr habt mein Leben gerettet, und ich werde dasselbe für Euch tun. Freunde für immer. Ihr seid ein netter Bursche und seht nicht auf mich herab, weil ich ein ungebildeter, ungehobelter und betrunkener Junge aus dem Armenviertel bin. Für so etwas habe ich mittlerweile ein Gespür. Wie heißt du, Freund? Ich habe deinen Vornamen vergessen.« Innocento lallte jetzt hemmungslos.
    »Sandro, Eminenz. Aber ich halte es für klüger, wenn wir …«
    »Sandro! Sandro! Ich habe einen neuen Freund, einen intelligenten, ehrenhaften Freund, der mich beschützt und den ich beschütze. Wir beschützen uns gegenseitig. Du sorgst dafür, dass ich nicht morgen früh vor dem Himmelstor stehe, wo Petrus mich grimmig anblickt und zum anderen Eingang schickt, und ich sorge dafür, dass dir die römische Kerkerluft erspart bleibt. Gleich morgen schicke ich dem Papa einen Brief, er will sowieso andauernd Briefe von mir haben, ich weiß auch nicht, warum. Ich will nichts von ihm, aber er liebt mich trotzdem. Vielleicht liebt er mich und überschüttet mich Geld und Ehren, weil ich nichts von ihm will. Nur heute, heute will ich etwas von ihm. Er soll dir verzeihen. Warte, Freund Sandro, ich schreibe den Brief jetzt sofort.«
    Er stand vom Sessel auf – nicht ohne dabei fast zu Boden zu rutschen –

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