Die Glaszauberin pyramiden1
alles?«
»Weil ich dir für den Kasten danken wollte. Meine Koholstifte sehen sehr hübsch darin aus. Und jetzt sei still, ich will dir eine Geschichte erzählen.«
Ich legte die Arme um ihn und bettete den Kopf auf seine Brust, trieb sanft neben seinem Körper, und ich erzählte ihm eine Geschichte von den Soulenai, die keine gefährlichen Zwischentöne hatte, sondern nur von ihrer Liebe füreinander und für ihr Volk und ihre Hoffnungen auf eine friedliche Welt berichtete. Und als ich geendet hatte, nahm ich seine Hände und legte sie dorthin, wo ich fand, daß sie am besten aufgehoben waren.
»Umarme mich, tröste mich, behüte mich, liebe mich«, flüsterte ich, und das tat er.
25
In zwei Tagen würde der Schlußstein gesetzt werden, am darauffolgenden Tag sollte die Pyramide der Macht der Eins geweiht werden. Heute sollten Chad Nezzar, der größte Teil seines Hofstaats, die meisten Adligen, sämtliche Magier und Tausende Zuschauer aus Setkoth eintreffen.
Ich war sehr unruhig. Ich fürchtete mich vor der Fertigstellung der Pyramide, fürchtete mich vor dem Tag, an dem sie mit Macht erfüllt sein würde. Aber ich fürchtete ihre Fertigstellung auch, weil das das Signal zu Yaqobs Aufstand war. Ich konnte beinahe spüren, daß die Vorbereitungen weiter fortschritten, aber ich hatte nicht die geringste Ahnung, wann es soweit war… oder wie es geschehen sollte.
Ich sah mich nach Boaz um, konnte ihn aber nicht sofort entdecken. In unserem Haus war er ein glücklicher Mann, aber was nutzte das, wenn jenseits der Veranda noch immer der Magier herrschte? Er war noch immer keinen Schritt weitergekommen, die Seite seiner Natur zuzugeben, die ihre Kräfte aus den Elementen schöpfte, geschweige denn sie zu erforschen.
Tatsächlich war er davon weiter entfernt als je zuvor, während sich die Pyramide ihrer Fertigstellung immer schneller näherte. Er war von ihr und der Macht, die sie versprach, so in Bann geschlagen, daß er keinen anderen Gedanken mehr zulassen konnte. Im Verlauf der letzten Wochen hatte er den Froschkelch nicht mehr angefaßt, und ich hatte ihm auch nicht aus dem Buch der Soulenai vorlesen dürfen.
Die Soulenai quälte das genauso wie mich, wenn nicht noch mehr. Ich hörte sie in der Nacht aus dem Froschkelch flüstern, aber Boaz ließ sich nicht in seinem Schlaf stören.
Ich seufzte und lächelte dem Jungen hinter mir dankbar zu, der den Sonnenschirm über meinen Kopf hielt. Die Sonne war eine große, rote Kugel am Himmel, die sich in einem Hitzeflimmern wälzte.
Ich wartete direkt vor den Toren von Gesholme, stand unauffällig direkt an der Mauer. Der Kai vor mir funkelte im Sonnenlicht. Sklaven hatten seine Steine vier Tage lang geputzt und mit Sand gescheuert, um ihn für zahllose königliche und adlige Füße präsentabel zu machen. Zu beiden Seiten des Kais standen Wächter, ihre Waffen und Rüstungen funkelten, die unterschiedlich bunten Quasten ihrer Einheiten flatterten im leichten Wind in allen Farben des Regenbogens. Vor den Wächtern standen die Magier, etwa zwei Dutzend; ihre blauen und weißen Gewänder saßen tadellos, ihr Haar war streng zu Zöpfen geflochten.
Boaz hatte mir erlaubt, die Ankunft Chad Nezzars miterleben zu können. Der Chad traf für das Anbringen des Schlußsteins spät ein, so wie jeder andere mit auch nur dem geringsten Anspruch auf Vornehmheit, und würde bis zum Einweihungstag bleiben. Der Bau der Pyramide hatte acht Generationen gedauert und den größten Teil von Ashdods Reichtum verschlungen. Ich vermutete, daß jeder Gast, egal ob Magier oder Adliger, hier war, um seinen wie auch immer gearteten Anteil an der Macht zu ergreifen.
Ich hoffte, sie waren wirklich auf das vorbereitet, was auf sie zukommen würde, denn der Schatten der Pyramide war jeden Tag dunkler und bedrohlicher geworden.
Seit dem Tod der elf Männer war niemand mehr gestorben. Als nächstes würden es dreizehn sein, und ich glaubte zu wissen, was die Pyramide für den Einweihungstag geplant hatte.
Da trat Boaz durch das Tor auf den Kai. Er war der Magier, der große Magier, und er übersah mich. Ich fragte mich, wie er Chad Nezzar meine Anwesenheit erklären würde. Vielleicht würde er das auch gar nicht tun. Vielleicht würde man mich für die Dauer des königlichen Besuchs wieder in die Sklavenunterkünfte verbannen.
Aber das glaubte ich nicht.
Boaz sprach ein paar Worte mit dem Hauptmann der Wache, dann mit zwei oder drei Magiern, um sich zu
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