Die Glaszauberin pyramiden1
den Blick, erleichtert, daß ich das meiste von dem, was ich gelesen hatte, nicht hatte verstehen können. Was wäre geschehen, hätte ich sie laut ausgesprochen? Wären Zauber zum Leben erwacht? Hätte die Unendlichkeit nach mir gegriffen und mich gepackt?
Ich zuckte zusammen, als Zeldon mir die Hand auf die Schulter legte. »Wir sind fertig, Tirzah.« Wir verbeugten uns vor Kofte, und er entließ uns.
Am folgenden Tag ging ich zu Isphet. Ich mußte mit jemandem über das sprechen, was geschehen war – aber nicht mit ihr. Das betrübte mich mehr als die Unmöglichkeit, mit Yaqob sprechen zu können. Isphet war eine gute Freundin geworden, eine Freundin, die glaubte, daß ich mit jedem Problem zu ihr kommen würde. In den vergangenen zwei Wochen hatte sie mich gedrängt, darüber zu sprechen, was ich über Boaz dachte, über die Art und Weise, wie er über mich verfügte, aber das hätte nur die Lügen zwischen uns vertieft und kompliziert.
»Rede mit mir«, pflegte sie zu sagen und mir das Haar aus der Stirn zu streichen. »Es wird dir helfen.«
Und ich wandte dann immer den Kopf ab, damit sie nicht den Betrug in meinen Augen lesen konnte. »Ich kann nicht, Isphet. Es tut mir leid.«
Und ich nahm ihren Kräutertrank und schluckte ihn überflüssigerweise, denn Yaqob hatte jegliches Verlangen nach mir verloren, da er glaubte, ich würde mit Boaz ins Bett gehen.
Anfangs hatte ich nicht mit Isphet geredet, weil ich Angst vor dem hatte, was Boaz tun würde, wenn er es herausfand. Jetzt konnte ich nicht mit ihr reden, weil ich Angst vor dem Mißtrauen hatte, das sich auf Isphets Gesicht malen würde, wenn sie erkannte, was hier vor sich ging.
Boaz war mehr als nur berechnend gewesen. Ich wurde immer mehr von meinen Freunden und meinem Geliebten entfremdet, gefangen in meinen eigenen Lügen, zu denen er mich gezwungen hatte. Ich konnte mit niemandem sprechen. Außer…
»Isphet, ich würde gern mit den Soulenai in Verbindung treten. Aber ich möchte allein sein, wenn das geschieht. Wirst du mir dabei helfen?«
Seit meiner Einführung in die Elementenkünste hatte mir Isphet bei einigen Gelegenheiten erlaubt, mich den Soulenai zu nähern. Jedesmal waren sie und einige andere dabei gewesen, und es hatte mich nicht gestört. Aber jetzt mußte ich es allein tun.
»Warum allein, Tirzah? Was willst du ihnen sagen, das nicht vor mir oder jedem anderen Elementisten, der am Ritus teilnimmt, gesagt werden kann?«
»Ich… ich…«
»Was hast du zu verbergen, Tirzah? Ich mag in meiner Werkstatt keine Geheimnisse!«
»Ich bin verwirrt, Isphet, und ich habe Angst, und ich mag es nicht, wenn andere meine intimen Probleme anhören, wenn ich sie den Soulenai mitteile. Isphet, bitte!«
Sie konnte sehen, daß ich es ernst meinte, aber sie war trotzdem verletzt. »Du kannst immer zu mir kommen, Tirzah. Ich habe das gleiche durchgemacht wie du jetzt.«
»Isphet, bitte. Nur dieses eine Mal. Es wird mir Frieden schenken.«
Am Ende entschied sie sich, mir zu vertrauen, und dafür werde ich sie immer lieben.
Hinter einem Brennofen war eine kleine, tiefe Nische, gerade groß genug für eine Schale mit Glas und mich. Niemand würde mitbekommen, was ich dort tat, und Isphet sorgte dafür, daß niemand unsere Vorbereitungen sah.
Sie war eine Meisterin der Elementenkünste, und ich staunte über ihre Fertigkeiten. Nicht nur in der Vorbereitung des Schmelzglases, sondern daß sie eine Schale tragen konnte, die fast genauso viel wie sie selbst wog und die Hitze der Sonne enthielt.
Doch keine Schweißperle trat auf ihre Stirn, als sie die Schale vor mir abstellte, und auch ihre Hände waren nicht einmal gerötet, als sie sie von den glühenden Metallseiten löste.
»Löse dein Haar«, sagte sie kurz angebunden, noch immer böse auf mich, und ich beeilte mich zu gehorchen. Dann stellte sie mehrere Töpfchen neben mich, die das Metallpulver enthielten, das ich brauchen würde.
»Laß dir nicht zu viel Zeit, denn ich weiß nicht, was passieren wird, wenn ein Wächter oder ein Magier kommt.« Sie zögerte, und ihre Stimme wurde weicher. »Und sei vorsichtig.«
Dann ging sie.
Ich hatte viel von Isphet gelernt, und ich wußte, was ich jetzt zu tun hatte. Ich starrte lange in das Glas. Mittlerweile wußte ich, daß das Glas aus dem Grund geschmolzen blieb, weil ich es geschmolzen brauchte. Dann beschrieb meine Hand einen großen Bogen darüber.
Das Glas wirbelte umher, und ich fühlte mich in die Bewegung hineingezogen.
Meine Hand
Weitere Kostenlose Bücher