Die Glorreichen Sieben 03 - und das Geheimnis der gruenen Maske
sich der allein sitzende Hotelgast an Fridolin Paschulke gewandt hatte. „Bitte, Herr Wunderlich?“ erkundigte sich der Pikkolo erstaunt und fast beleidigt. Aber gleich darauf sagte er: „Oh, Entschuldigung.“ Er hatte nämlich vergessen, seine Hand von dem servierten Teller zu nehmen, dessen Inhalt zu allem Unglück auch noch übergeschwappt war.
„Ich hab’ in meinem Leben schon so viel mit Fingerabdrücken zu tun gehabt“, meinte der Hotelgast und schob seine Goldrandbrille, die ihm auf die Mitte der Nase gerutscht war, wieder zurecht , „daß ich auf deinen Daumen in meiner Suppe verzichten kann.“ Dabei lächelte er und zwinkerte mit dem linken Auge.
„Entschuldigung“, stotterte Fridolin. „Gestatten Sie, daß ich Ihnen einen neuen Teller bringe?“
„Ja, das gestatte ich, mein Sohn“, erwiderte Herr Wunderlich und lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Fritz Treutlein hatte sich inzwischen unbemerkt aus dem Staub gemacht und klopfte jetzt im ersten Stockwerk des neuen Anbaus an die Tür mit der Nummer 12 .
Der Hotelgast aus Amerika hatte einen blaugelb karierten Morgenmantel an und legte sich gerade mit lauter kleinen Spielkarten eine Patience.
„Good morning, Mister Pinkerton“, grüßte der Friseurlehrling. „Ich habe Ihre Post und Ihre Zeitungen.“
„Excellent“, bedankte sich der Mann in dem blaugelb karierten Morgenmantel. Dabei ließ er sein Monokel aus dem linken Auge fallen, so daß es jetzt an einem dünnen schwarzen Band vor seiner Brust baumelte. Er hatte weiße Silberhaare, war groß und schlank.
Während Fritz Treutlein seine Ledertasche auspackte, öffnete Mister Pinkerton bereits die ersten Briefe und fing an zu lesen.
„Sie gestatten?“ fragte der Friseurlehring. Aber er wartete gar nicht auf Antwort und verschwand bereits im Badezimmer. Schließlich kam er jetzt schon seit zwei Wochen täglich um die gleiche Zeit und fühlte sich im Appartement von Mister Pinkerton inzwischen wie zu Hause. Er nahm sich warmes Wasser aus der Leitung und spazierte damit in den Salon zurück.
Der Amerikaner wartete wie üblich in dem breiten Samtsessel, der am Fenster stand. Er hatte sein Monokel vors linke Auge geklemmt und blätterte in seiner Daily Mail, die sicherlich schon ein paar Tage alt war.
„I am ready“, bemerkte Fritz Treutlein und faltete eine nagelneue Serviette auseinander.
„Marvellous“, meinte der Mann in dem gelbblau karierten Morgenmantel und warf die Zeitung neben sich auf den Teppich. „In Amerika schüttet es Eimer -“
„Schüttet es wie aus Eimern“, wagte Fritz Treutlein zu korrigieren. Er knallte seine Serviette durch die Luft und fügte mit höflichem Lächeln hinzu: „Also ein ausgesprochenes Pinkerton-Wetter, Sir.“
Der Amerikaner brach in schallendes Gelächter aus und brauchte eine ganze Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte.
„Pinkerton-Wetter ist ausgezeichnet“, kicherte er schließlich, legte seinen Kopf auf die Rückenlehne des Sessels und rieb sich vergnügt die Hände.
Mister Pinkerton war nämlich der Besitzer einer großen Regenschirmfabrik in Baltimore.
Fritz Treutlein legte ihm jetzt die frischgewaschene Serviette unters Kinn, fühlte mit dem Daumen noch einmal ganz vorsichtig über die Schneide seines Rasiermessers, und dann fing er mit dem Einseifen an.
„Na, Fritz, wie geht’s?“ fragte der Amerikaner.
Für Mister Pinkerton gab es kein Jahr, in dem er nicht Europa besuchte. Das hatte gewiß damit zu tun, daß seine Großeltern seinerzeit aus einem kleinen Ort bei Frankfurt ausgewandert waren. Jedenfalls hatte er auf einer seiner Reisen eines Tages Bad Rittershude entdeckt, und seitdem gehörte zum Abschluß seiner Trips alljährlich ein Aufenthalt im Hotel zum Kurfürsten. Einerseits, weil er an der Stadt ganz einfach einen Affen gefressen hatte, und zum zweiten glaubte er an die Heilkraft der Bad Rittershuder Thermalquellen. Gelegentlich plagte ihn nämlich seine Wirbelsäule. Genau mit dem zweiten Schlag vom Rathausturm klappte Fritz Treutlein sein Rasiermesser zusammen, und Mister Pinkerton ging aus seinem Salon ins Badezimmer. Dort beugte er sich mit dem blaugelb karierten Morgenmantel über das Waschbecken, um die Reste Seifenschaum aus seinem Gesicht zu waschen.
„In einer halben Stunde soll ich bereits beim Kurarzt im Thermalwasser schwitzen“, meinte er dabei. „Ich ahnte gar nicht, daß es schon so spät ist.“
So ziemlich dasselbe sagte im gleichen Augenblick auch Frau Elfriede Breitschuh, und
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