Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
jetzt ganz dicht an den Polizeibeamten heran. „Es bleibt immer etwas hängen, wenn ein Hotel wie der Kurfürst ins Gerede kommt. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“
„Fingerspitzengefühl ist meine Spezialität“, bemerkte Herr Kalender. Er strich sich mit dem Zeigefinger zuerst über die linke und dann über die rechte Bartspitze. „Erzählen Sie alles, was Sie wissen.“
„Der Hotelgast Martin Piepke bezog genau vor siebzehn Tagen das Zimmer 112“, berichtete Herr Pelz. „Er hatte telefonisch vorbestellt. Ein sportlicher Mann von knapp vierzig, immer höflich und bescheiden, man kann es nicht anders sagen. Keine Extravaganzen. Ein angenehmer und freundlicher Durchschnitt...“
„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie kurz unterbreche“, meinte der Polizeimeister. „Ich möchte nur Vorschlägen, daß wir in sein Zimmer gehen, während Sie weiterberichten.“
„Drüben mit dem Lift zum zweiten Stock“, erwiderte Herr Pelz und ging voraus. „Herr Piepke absolvierte wie die meisten unserer Gäste die übliche Thermalkur, die in unserem Hotelpreis inbegriffen ist. Mit Bädern, Schlammpackungen und Massagen. Nachmittags spazierte er mit einem Glas Mineralwasser in der Hand durch den Kurpark oder lag auf unserer Terrasse im Liegestuhl in der Sonne.“
Als der Lift am ersten Stockwerk vorbeifuhr, wurde der Page Fridolin aufgefordert, der Reihe nach alles zu berichten, was er heute früh seit seinem Dienstantritt erlebt und beobachtet hatte.
„Das ist wenigstens mal was Neues“, bemerkte Herr Kalender, als die Gruppe im zweiten Stockwerk durch den Korridor trottete. „Sagte er wirklich, daß er Sonnenaufgänge sammeln würde?“
„Deswegen hab’ ich ihn doch so früh wecken müssen“, warf der Hotelpage ein.
„Na ja, es gibt Leute, die pilgern alle naselang in den Zoo, um zu erleben, wie sich Schimpansen in die Haare kriegen, und andere wollen unbedingt aus einem Hubschrauber heraus die Niagarafälle fotografieren“, überlegte Herr Kalender und blieb stehen. „So gesehen ist die Leidenschaft für Sonnenaufgänge vergleichsweise harmlos.“
„Da, wo die Tür offensteht“, schaltete sich Herr Pelz ein, „ist das bewußte Zimmer 112. Ich habe veranlaßt, daß nichts berührt wird.“
„Sehr umsichtig“, lobte der Polizeimeister. Er machte drei oder vier Schritte, bis er vom Korridor her den ganzen Raum überblicken konnte. „Kein Zweifel“, stellte er fest. „Sieht ganz nach sauberer Arbeit aus.“
„Nicht einmal einen Schnürsenkel hat er zurückgelassen“, fügte Herr Pelz hinzu.
„Aber was anderes“, bemerkte Reviervorsteher Nielsen, der bisher noch kein Wort gesagt hatte. „Wenn Sie, bitte, über das Bett hinweg zu anderen Seite des Zimmers blicken würden...“
Die Herren Kalender und Pelz drehten wie elektrisiert ihre Köpfe herum und entdeckten im selben Moment das Ende einer Wäscheleine, das mehrfach um einen Heizkörper geschlungen war. Aus den verschiedenen Knoten heraus lief das Seil über das Fensterbrett und verschwand dahinter in der Tiefe.
„Da geht’s vermutlich zum Hof?“ fragte der Polizeimeister.
„Sehr richtig“, antwortete Herr Pelz und fügte hinzu, daß die Autos der Hotelgäste dort parken würden.
„Äußerst praktisch“, bemerkte Herr Kalender. „Der Fall ist für mich so klar wie Kloßbrühe.“
Er wandte sich an den Chefportier. „Wenn ein Hotelgast abreisen will, klingelt er doch nach dem Hausdiener?“
„Manche schleppen ihr Gepäck auch persönlich in die Halle, um das Trinkgeld zu sparen“, erwiderte Herr Pelz.
„Jedenfalls würden Sie keinen mit seinen Koffern auf den Parkplatz oder auf die Straße lassen, bevor er nicht seine Rechnung beglichen hat?“
„Natürlich nicht“, antwortete der Page Fridolin ein wenig vorlaut.
„Und da dieser Herr Piepke nicht im Schlaf daran gedacht hat, auch nur einen Pfennig zu bezahlen, hat er irgendwann in der vergangenen Nacht sein Gepäck abgeseilt und ist vermutlich gleich daraufhin kaltblütig durch die Halle spaziert, als wolle er vor dem Schlafengehen noch frische Luft schnappen. In Wirklichkeit hat er aber die per Wäscheleine in den Hof transportierten Koffer in seinem Mietwagen verstaut. Das Risiko, daß ihn um diese Zeit jemand beobachten würde, war gleich Null. Na ja, und als er dann heute in aller Frühe angeblich zu seinem Sonnenaufgang losgebraust ist, war er total reisefertig und fest entschlossen, diesem Hotel und ganz Bad Rittershude ein für allemal den Rücken zu
Weitere Kostenlose Bücher