Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Titel: Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
Piepke mit sich und der Welt zufrieden die Beine aus. Er hatte im Schnellzug nach Hannover ein Nichtraucherabteil für sich allein. Über seinem Kopf vibrierten sein Lederkoffer und die schwarze Reisetasche im Gepäcknetz und neben ihnen sein grauer Filzhut. Einmal etwas mehr und dann wieder weniger, je nach dem Tempo, das die Lokomotive gerade vorlegte, oder nach dem Zustand der Gleise.
    Aber einen Mann mit dem Namen Martin Piepke gab es zu diesem Zeitpunkt eigentlich gar nicht mehr.
    Alles, was an ihn erinnern könnte, seinen Paß, seinen Personalausweis und seinen Kurausweis vom Bad Rittershuder Thermalbad hatte der rosafarbene Reisende, als er noch Martin Piepke hieß, in der Toilette am Ende des Waggons in lauter kleine Schnitzel zerrissen und zerfetzt. Das war eine Heidenarbeit gewesen, doch das Zeug mußte weg.
    Irgend jemand hatte immer wieder von außen an die Tür geklopft, und er hatte hinausgerufen, daß man gefälligst über der Klinke das kleine Schild berücksichtigen möge, auf dem doch wohl deutlich genug zu lesen sei, daß die Örtlichkeit im Augenblick besetzt wäre.
    Erst als er schließlich mehrfach die Wasserspülung betätigt hatte und die letzten Reste von Herrn Martin Piepke endgültig verschwunden waren, hatte er in dem Wandspiegel sein Haar geordnet und sich wieder ins Freie begeben. Dort hatte ihn eine gewaltig dicke Frau, deren Gesicht viel zu stark gepudert war, so vorwurfsvoll angeblickt, als hätte sie ihn gerade bei einem Taschendiebstahl entdeckt.
    „Entschuldigen Sie bitte“, hatte der Mann mit der getönten Brille übertrieben höflich gesagt, „es tut mir leid, daß Sie warten mußten, aber mein Magen macht mir seit heute morgen Schwierigkeiten.“
    Die dicke Person hatte lediglich einen zischenden Ton ausgestoßen, war wie der Blitz in der Toilette verschwunden und hatte die Tür hinter sich zugeknallt. Der bisherige Hotelgast von Zimmer 112 im Hotel zum Kurfürsten hieß jetzt Andreas Bertram, und selbstverständlich hatte er für diesen Namen bereits lupenreine Papiere in der Tasche.
    „Andreas Bertram“ murmelte der Mann mit dem Dutzendgesicht vor sich hin. Er machte die ausgestreckten Beine so lang wie möglich, räkelte sich und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Andreas Bertram, wiederholte er in Gedanken, das ist ein Name wie Musik, und er paßt auch zu mir.

Die 9B stellt einer Klassenarbeit das Bein
    Seit dem Läuten nach der großen Pause waren bestimmt schon zwei Minuten vergangen, bis die 9 B aus dem Treppenhaus die unverwechselbaren Schritte von Studienrat Dr. Purzer hörte.
    Der Schulhof lag inzwischen wieder leer und verlassen wie ein Fußballstadion nach dem Abpfiff hinter den schmiedeeisernen Gittern in der Sonne. In den meisten Klassen hatte der Unterricht bereits begonnen. Entfernt drangen die Stimmen von Lehrern und Schülern durch irgendwelche Türen, und aus dem Musiksaal im dritten Stock konnte man einen vierstimmigen Chor vernehmen, der abwechselnd eine Klavierbegleitung einzuholen versuchte oder ihr davonlief.
    Tack — tack — tack —
    Inzwischen hatten Purzers Schritte, die in dem leeren Gebäude ein wirkungsvolles Echo hervorriefen, die letzte Stufe im Treppenhaus hinter sich und erreichten die ebene Steinfläche in der Kurve. Schon im nächsten Augenblick tauchte die Gestalt des Studienrats wie eine Silhouette am Ende des Korridors auf.
    Die 9 B wartete vor ihrem Klassenzimmer.
    Als der Klassenlehrer mit jedem Schritt näher kam, versuchten die Schüler möglichst harmlose Alltagsgesichter zu zeigen. Eine Gruppe, die gerade noch auf dem Fußboden Karten gespielt hatte, erhob sich aus der Hocke, und andere ließen sich von der Fensterbank heruntergleiten. Wer an den Wänden gelehnt hatte, stieß sich mit der einen oder anderen Schulter ab und richtete sich gemächlich auf. Keinesfalls überstürzt. Die Klasse war bemüht, jede Auffälligkeit zu vermeiden. Sie benahm sich haargenau so wie an jedem anderen Tag nach jeder anderen Pause.
    „Na, dann wäre es jetzt soweit", meinte der Studienrat unternehmungslustig, während er die letzten Schritte auf die wartenden Schüler zukam.
    „Hoffentlich habt ihr in den vergangenen zwanzig Minuten noch genügend Sauerstoff in eure grauen Gehirnzellen gepumpt!" Dabei hatte er den Schlüssel zum Klassenzimmer aus seiner Jackentasche geangelt.
    Die 9 B demonstrierte schweigend Gelassenheit
    und Fassung.
    „Nanu!“ sagte Purzer nach einer Weile verwundert. „Da klemmt irgendwas.“
    Die Türe zur 9

Weitere Kostenlose Bücher