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Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Titel: Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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lächelnd.
    „Ihre Beobachtungsgabe ist wirklich phänomenal.“
    „Nur eine Frage der Übung“, protestierte Dr. Glossner bescheiden. „Wenn Sie es gestatten, verziehe ich mich jetzt.“ Er schmunzelte vergnügt, schloß die Türe hinter sich und verschwand im Gang.
    In den nunmehr folgenden zwanzig Minuten war das Innenleben des allein gebliebenen Reisenden harten Belastungsproben ausgesetzt. Zuerst träumte er eine ganze Weile und mit geradezu kindlichem Gemüt durch das Fenster seines Abteils in den vorbeiziehenden Frühlingstag hinaus. Bis dann eine chromglänzende Mercedeslimousine auf der parallel verlaufenden Autobahn auftauchte und den Zug mühelos überholte.
    Vermutlich besitzt dieser Dr. Glossner einen ähnlich teuren Wagen, schoß es Herrn Bertram plötzlich durch den Kopf. Generaldirektoren bekommen derartige Schlitten von ihrer Firma vermutlich ganz umsonst und sogar mit Chauffeur, versteht sich. Sein Blick wanderte unwillkürlich zur Sitzecke seiner neuen Reisebekanntschaft. Der große Koffer im Gepäcknetz, der sicherlich Wäsche und Garderobe für einen längeren Aufenthalt enthielt, war aus weichem Büffelleder, genauso wie die elegante Flugzeugtasche mit den beiden Sicherheitsschlössern, die nur nach bestimmten Zahlenkombinationen zu öffnen waren. Der ziemlich neue Regenmantel hatte Schulterklappen und zeigte auf der Innenseite im karierten Futter das Etikett einer englischen Herstellerfirma.
    Er hat beinahe dieselbe Figur und auch annähernd mein Alter, zog der einsame Fahrgast noch flüchtig in Erwägung. Doch damit waren seine Gedanken, soweit sie den Generaldirektor des Chemiekonzerns OMNIA betrafen, vorläufig abgeschlossen.
    In Wirklichkeit hatten sie sich nur für einen kurzen Augenblick aufs Ohr gelegt.
    Sie wurden jetzt von anderen und ganz allgemeinen Überlegungen abgelöst. Etwa von der Frage, nach welchem System man arm oder reich geboren wird, beziehungsweise weshalb ausgerechnet der eine beim Lotto einen Riesengewinn kassiert und der andere in die Röhre guckt.
    Den Scheichs zum Beispiel gibt’s der Herr im Schlaf, philosophierte der Reisende, dessen bisherige Falschnamen inzwischen schon für zwei komplette Fußballmannschaften ausgereicht hätten. Sie legen sich abends als Besitzer von ein paar Schafen oder Kamelen in ihrem Beduinenzelt auf einen alten Teppich, und wenn sie am nächsten Morgen aufwachen, schießt plötzlich Öl aus ihrem Boden, das ihnen Dollarmillionen und vollklimatisierte Paläste bringt. Er kniff hinter seiner getönten Brille die Augen zusammen. Vielleicht ein extremes Beispiel, aber das Leben ist nun mal so. Die Chance, daß man aus purem Zufall auf die Sonnenseite katapultiert wird, ist gleich Null. Man muß sich selbst katapultieren...
    Der Intercity verlangsamte wieder einmal seine Fahrt, und eine samtweiche Lautsprecherstimme verkündete so leise, als würde sie befürchten, jemanden aufzuwecken: „Meine Damen und Herren, in wenigen Minuten erreichen wir Bornhausen.“
    In diesem Augenblick passierten völlig unvermittelt ein paar Dinge fast gleichzeitig. Und eigentlich hatte der frühere Herr Piepke nur sehr wenig mit ihnen zu tun. Auch wenn es ganz anders aussah. Aber in Wirklichkeit funktionierte er nur wie eine aufgezogene Eieruhr, deren Zählwerk mechanisch abläuft.
    Zuerst fiel ihm auf, daß der Zug ausgerechnet auf dem Bahnsteig mit der Nummer zwei in die Halle einfuhr. Und als die Wagen zur Ruhe gekommen waren, stand haargenau vor seinem Abteilfenster ein älterer Gepäckträger und blickte ihn fragend an. Daß er an seiner Dienstmütze in Messing ausgerechnet gleichfalls die Nummer zwei trug, gab den Ausschlag. Wenn einem das Glück so deutliche Zeichen schenkt, darf man ihm nicht die Tür vor der Nase zuschlagen.
    Herr Bertram riß jedenfalls, ohne zu überlegen, das Fenster auf und sagte nur: „Bitte, fassen Sie an." Obgleich er so aufgeregt war wie tausend aufgescheuchte Hühner, denn er wußte, daß der Intercity höchstens drei Minuten halten würde, wirkte er ruhig und gelassen. Er wuchtete zuerst sein eigenes Gepäck und dann das von Dr. Glossner ins Freie. Dabei achtete er sorgfältig darauf, daß sein Gesicht für den Gepäckträger hinter den Koffern versteckt blieb und daß er ihm hauptsächlich nur den Rücken zeigte. Ganz zuletzt nahm er seinen Hut vom Haken, raffte seine Zeitschriften zusammen und warf sich schließlich den englischen Regenmantel des Generaldirektors über den Arm. Wirklich im letzten Augenblick konnte er

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