Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
in dem großen Wandspiegel und die Hinterseite in dem Handspiegel, den Fritz nach Wunsch anhob oder senkte. „Wirklich allererste Klasse.“
„Besten Dank“, hauchte Fritz bescheiden, befreite den Zigarrenhändler wieder aus seinem himmelblauen Umhang und bürstete ihm die Haare vom Jackett.
„Lieber Herr Treutlein“, sagte dabei Herr Bemmelmann zu dem Friseurmeister. „Der Sohn hat bereits dasselbe leichte Handgelenk wie der Vater, wenn ich das sagen darf, ohne Sie zu beleidigen.“
„Es ist ein Kompliment für mich“, widersprach der Salonbesitzer. „Schließlich ist der Knabe drei Jahre lang bei mir in die Lehre gegangen, und ich hab’ ihm nichts geschenkt.“
„Jammerschade, daß ich nicht auch so einen Burschen habe, dem ich beibringen könnte, wie man Zigarren verkauft“, seufzte Herr Bemmelmann. „Denn Zigarrenverkaufen ist gar nicht so einfach, wie's aussieht, und will auch gelernt sein.“
Er schubste Fritz mit dem Ellenbogen. „Du bestehst deine Gesellenprüfung mit Pauken und Trompeten, da bin ich ganz sicher.“
„Und anschließend errichtet man mir ein Denkmal auf dem Rathausplatz“, grinste Fritz.
„Eins nach dem anderen“, bemerkte Herr Bemmel -mann und holte seine Brieftasche heraus. „Was bin ich heute schuldig?“
„Gar nichts“, erwiderte Vater Treutlein. „Wäre ja gelacht, wenn wir für Ihre Freundlichkeit auch noch was kassieren würden.“
„Aha, weiße Mäuse müssen nicht zahlen“, sagte der Zigarrenhändler und lachte wieder einmal.
„Ich versteh’ kein Wort“, meinte der Friseurmeister. „Wieso weiße Mäuse?“
„Nimmt man doch auch zum Experimentieren“, erwiderte Herr Bemmelmann, ohne sein Gelächter zu unterbrechen. Er hatte noch Lachtränen in den Augen, als er fragte: „Aber ein Trinkgeld wird wohl erlaubt sein?“
Daß es höher ausfiel, als ein Haarschnitt inklusive Waschen gekostet hätte, spürte Fritz mit der nackten Handfläche, während er die Münzen in der Tasche seines weißen Mantels verschwinden ließ.
„Sehr freundlich, Herr Bemmelmann“, bedankte sich der Junge und trabte los, um die Tür zu öffnen.
Als der Zigarrenhändler bereits mit einem Bein auf der Straße war und Studienrat Dr. Purzer sich gerade von Herrn Treutlein verabschiedete, platzte Karlchen Kubatz in den Salon herein. Er war im Gesicht so rot wie ein Feuermelder und ganz außer Atem.
„Guten Tag, die Herren zusammen“, grüßte er den Friseurmeister und den Studienrat.
Aber dann hatte er keinen Blick mehr für sie und fiel gleich über Fritz her, der noch neben der Glastüre stand. „Ich hab’ genau zwanzig Minuten Zeit“, japste Karlchen. „Ich hoffe, du hast gerade Zeit. Wo soll ich mich hinsetzen?“
„Wir haben Glück“, meinte Fritz Treutlein. „Ich bin gerade mit Herrn Bemmelmann fertig geworden.“
„Aha, auch die Herren Schüler bringen ihre Köpfe zum Probieren vorbei“, sagte der Studienrat und versäumte nicht, daran zu erinnern, daß auch seine Haare zur Verfügung stünden. „Mein Angebot war ernst gemeint“, versicherte er noch, bevor sich die Türe hinter ihm schloß und die Klingel wieder einmal bimmelte.
„Links und rechts etwas kürzer, wenn ich bitten darf“, bemerkte Karlchen Kubatz. Er saß bereits mit übereinandergeschlagenen Beinen in dem breiten Sessel neben dem Schaufenster, und Fritz band ihm den Umhang um den Hals. „Oben nimmst du mir gefälligst nur die Spitzen weg.“
„Wie Sie wünschen, mein Herr“, entgegnete der Friseurlehrling und ließ bereits seine Schere klappern.
„Mach mich nicht nervös mit deinem Getue“, knurrte Karlchen.
„Ich muß mein Handgelenk lockern, bevor ich anfange“, erklärte der Lehrling Fritz nachsichtig. „Genauso wie ein Pianist vor einem Konzert seine Fingerübungen macht. Aber von so was verstehst du Banause natürlich nicht die Bohne.“
„Du hast ein Benehmen wie eine nasse Badehose“, stellte Karlchen Kubatz fest und drehte sich nach Vater Treutlein um. „Benimmt er sich allen Kunden gegenüber so freundlich?“
Aber der Friseurmeister telefonierte gerade und hatte ihm nicht zugehört.
„Was würdest du davon halten, wenn du dir die Haare zur Abwechslung mal länger wachsen läßt?“ fragte Fritz Treutlein inzwischen.
„Du liebe Zeit, dieser Bürstenhaarschnitt ist doch mein Markenzeichen“, erwiderte der Sohn des Chefredakteurs der Bad Rittershuder Nachrichten empört. „Die Leute würden dutzendweise vor Schreck aus den Socken kippen, wenn ich mit
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