Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
die Klassenarbeit wieder vermasselt und eine Fünf oder Sechs in Mathe kassiert“, stellte der Boß der Glorreichen Sieben fest. „Es ist so gut wie sicher, daß er eine Sechs geschrieben hat. Wenn Studienrat Purzer beim
Korrigieren besonders gut aufgelegt ist, könnte es allerdings auch eine Fünf werden.“
„Dann bleibt es dabei, was ich gesagt habe, tut mir leid“, meinte Vater Kohl. „Aber der Junge darf nicht Sitzenbleiben. Das wäre für ihn genauso schlecht wie für seine Eltern.“
„Er ist ja jetzt schon ganz durch den Wind“, schaltete sich Frau Kohl wieder ein. Sie nahm inzwischen einen Kübel mit Flieder und einen anderen mit Schwertlilien aus dem Schaufenster. Ihre Hände waren so rot, als hätten sie zusammen mit den Blumen im kalten Wasser gestanden. „Zudem soll er eurem Verein ja nicht den Rücken drehen“, meinte sie noch. „Seine Mitgliedschaft ,ruht‘ ja nur, wie man so sagt, bis er das Klassenziel erreicht hat.“
Der Referendar war inzwischen, ohne ein Wort zu sagen, hinter den Glorreichen Sieben und zwischen den Nelken, Rosen und dem Rittersporn herumgestanden. Er hatte den erdigen Wohlgeruch eingeatmet und einfach nur zugehört. Jetzt schob er den Boß der Glorreichen Sieben beiseite und machte einen Schritt nach vorn. „Mein Name ist Bissegger“, stellte er sich vor und bat die Eltern von Manuel, ihm zwei oder drei Minuten zuzuhören. Mehr Zeit brauchte er auch gar nicht, um zu erklären, was die Glorreichen Sieben beschlossen hatten und wozu er persönlich bereit war.
„Selbstverständlich würde ich für meine Bemühungen keine Bezahlung erwarten“, meinte er schließlich und versuchte, so vertrauenerweckend zu lächeln wie ein Zeitschriftenvertreter, der den Leuten an der Wohnungstür ein Abonnement andrehen will. „Und auch die Glorreichen Sieben rechnen nicht mit größeren Beträgen“, fügte er hinzu.
Paul Nachtigall hütete sich zu grinsen, und auch die anderen Jungen verzogen keine Miene. Lediglich Emil Langhans glaubte bemerken zu müssen: „Sie kennen uns ja allmählich zur Genüge, und wir dürfen in aller Bescheidenheit daran erinnern, daß wir schon die aussichtslosesten Situationen...“ er hüstelte verlegen, weil ihm plötzlich ein wenig peinlich war, was er sagte, fuhr aber fort, „... gemeistert haben.“
Karlchen Kubatz rümpfte die Nase. Daß der Lange so frisiert daherquatschte, behagte ihm nicht. Aber vielleicht ist das in diesem Fall der richtige Ton, überlegte er gleichzeitig und war gespannt, was die Eltern von Manuel antworten würden.
„Eine ganze Menge habt ihr aber auch ganz schön durcheinandergebracht und auf den Kopf gestellt“, brummte Vater Kohl. Er reichte dabei seiner Frau eine bauchige Vase mit blauen, violetten und weißen Wicken. „Was meinst du, Lotte?“
„Also, ich kann mir nicht helfen“, sagte Frau Kohl, und nach diesen Worten, die eigentlich so gut wie nichts bedeuteten, blieb noch völlig offen, wie sie sich entscheiden würde. Sie trocknete ihre rötlichen Hände an der Schürze ab und betrachtete sich in aller Ruhe die Glorreichen Sieben einen nach dem anderen. Die Pause wurde immer länger und geradezu spannend, weil Herr Kohl inzwischen bereits die veraltete Kasse aufspringen ließ und aus ihr die Schlüssel zum Abschließen der Ladentür herausholte.
„Ich kann mir wirklich nicht helfen“, sagte Frau Lotte Kohl endlich noch einmal in die Stille. „Irgendwie hab’ ich Vertrauen in diese sieben Ganoven.“ Kaum hatte sie das gesagt, fügte sie schnell hinzu: „Selbstverständlich haben wir auch Vertrauen zu Ihnen, Herr Referendar, zu Ihnen sogar ganz besonders...“ Sie lächelte an einem Strauß gelber Tulpen vorbei zu ihrem Mann hinüber. „Und eigentlich kann uns und Manuel gar nichts Besseres passieren.“
„Ich nehme euren Vorschlag also an“, meinte Vater Kohl und hob die Schultern. „Was kann ich noch dagegen sagen? Wir sind jetzt bald fünfundzwanzig Jahre verheiratet, und in unserer Ehe hat meine Frau schon immer die Hosen angehabt. Was ich, wohlbemerkt, noch keine Minute bedauert habe.“
„Ich auch nicht“, lachte seine Frau. „Ich meine, was die fünfundzwanzig Jahre betrifft.“ Erst in diesem Augenblick fiel auf, daß sie und ihr Sohn dieselben großen blauen Augen hatten.
„Sie werden Ihre Entscheidung nicht bereuen“, erklärte der Boß der Glorreichen Sieben heute schon zum zweitenmal , und das mit einer Feierlichkeit, die gar nicht zu ihm paßte und die man dem großen
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