Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
vollbracht hätte. Der schwarzhaarige Kellner Emesto , der hinter ihr an einer Säule lehnte, war derart von den Socken, daß er nur völlig verwirrt auf den Hund starren konnte, als handelte es sich bei Peter um ein junges Kalb mit fünf Beinen.
Nunmehr pfiff Herr Bissegger durch die Zähne und rief knapp und laut wieder einmal nur das einzige Wort: „Peter!“ Gleichzeitig schob er einen der weißen Plastikstühle auf den freien Platz zwischen den Tischen.
Schlagartig war der Hund wie verwandelt. Er bellte zweimal kurz hintereinander, fletschte die Zähne, und dann flog er durch die Luft, daß seine langen kastanienbraunen Haare nur so flatterten. Er landete mit den Vorderpfoten genau auf der Sitzfläche des Stuhls und stieß mit seiner aufgerissenen Schnauze gegen die Lehne, als sei das jetzt der Gegner, den er angreifen müßte. Seine Augen blitzten wieder, waren blutunterlaufen, jedes einzelne Haar sträubte sich, und sein Knurren schwoll an wie eine Sirene.
Jetzt hielten die Zuschauer den Atem an. „ Aaaarrrh “, geiferte der Setter furchterregend, und sein ganzer Körper zitterte.
„Das genügt“, meinte Herr Bissegger und befahl mit lauter Stimme: „Aus, Peter, Fuß!“
Schon wenige Augenblicke später lag der Hund wieder vor seinem Teller unter dem Tisch, hatte den Kopf auf den Vorderpfoten und schlabberte mit seiner Zunge über die Kugel aus Schokoladeneis, das inzwischen weich geworden war. Sein Puls ging ganz normal, und seine Augen blickten wieder so sanft und klug wie immer.
„Das ist wirklich ein perfekter Schauspieler“, stellte Paul Nachtigall bewundernd fest.
„Trotzdem hätte die Nummer mit den Schülern der Maximilianschule keinesfalls so eindrucksvoll funktioniert“, erklärte Referendar Bissegger, „wenn ihr Anführer aus lauter Furcht nicht so versteinert und wie gelähmt am Boden liegengeblieben wäre. Ein Schubs mit dem Ellenbogen hätte ausgereicht, und Peter hätte sich von einem Augenblick zum anderen wieder in den verspielten und harmlosen Hund zurückverwandelt, der er ja in Wirklichkeit auch ist. Er hätte sich mit dem Jungen gebalgt wie mit seinem besten Freund, ihn neugierig beschnüffelt und vor Vergnügen mit dem Schwanz gewedelt.“
„Ein Glück, daß die Maxen das nicht geahnt haben“, grinste Emil Langhans.
„Eigentlich hab’ ich mich ja schon die ganze Zeit gewundert“, meinte Karlchen Kubatz zu dem Referen -dar. „Wir haben nämlich auch einen Setter, er heißt Nepomuk und ist so gutmütig, daß es mir manchmal schon über die Hutschnur geht.“
„Setter sind nun mal so“, äußerte sich Frau Elfriede Breitschuh. „Und Peter macht da keine Ausnahme.“
„Was die Maxen um Himmels willen nie erfahren dürfen“, mahnte der Boß der Glorreichen Sieben. „Solange sie weiterhin vor dem Hund Respekt haben, passiert ihm nichts“, er grinste zu Herrn Bissegger hinüber, „und Ihnen auch nicht.“
„Aber es wird Ärger geben“, bemerkte Emil Lang- hans . Seine Stimme kratzte wieder einmal, als ob er gerade Büroklammern verschluckte hätte. „Natürlich haben sie jetzt eine Mordswut im Bauch und brüten schon darüber, wie sie ihren Schlamassel wieder ausbügeln können.“
„Pah, wir sind noch immer mit ihnen fertig geworden“, sagte der Boß der Glorreichen Sieben. „Bange machen gilt nicht.“
Kurz darauf kam dann der Klassensprecher der 9 B für mindestens drei Minuten ins Stottern. Und das passierte Emil Langhans, der für seine freche Schnauze bekannt war, alle Jubeljahre höchstens einmal.
Er entschuldigte sich bei Referendar Bissegger für das rüpelhafte Benehmen seiner Klasse am Vormittag und bedankte sich anschließend dafür, daß er zusammen mit seinem geradezu einmaligen Hund und auch mit Hilfe von Frau Breitschuh den hinterhältigen Anschlag der Maximilianschüler so schnell durchschaut und so mutig verhindert hätte.
„Hinterhältiger Anschlag!“ jubelte Karlchen Ku-batz . „Das ist eine geradezu klassische Formulierung für diese Affengemeinheit.“
„Mutig war eigentlich nur mein Peter“, winkte Herr Bissegger ab.
„Jedenfalls stehen Sie ab sofort unter unserem persönlichen Schutz“, verkündete der Boß der Glorreichen Sieben beinahe feierlich. „Keine Klasse wird es mehr wagen, Sie auf den Arm zu nehmen oder Ihnen auf der Nase rumzutanzen, das garantieren wir Ihnen.“
„Und wenn die Herren Schulräte zu Ihrer nächsten Lehrprobe antanzen“, fuhr Emil Langhans fort, „dann benehmen wir uns wie Musterknaben
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