Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
und lief neugierig hinter ihrem Pensionsgast her.
Herr Bissegger hatte sich in einen Korbsessel fallen lassen, streckte die Beine von sich und starrte ein Loch in die Blumentapete neben der Standuhr.
„Nu reden Sie schon“, drängte Frau Breitschuh besorgt. „Soll ich Ihnen eine Tasse Kaffee aufbrühen oder...“ Sie unterbrach sich, hielt die Luft an und den Kopf schief, um besser hören zu können. „Ach, du grüne Neune“, rief sie aus. „Ich hab’ bei der Aufregung ganz vergessen, daß Alexander nicht in seinem Käfig ist.“
Als sie gleich darauf ihr Zimmer betrat, hatte der Kakadu längst den Telefonhörer vom Apparat geschubst und wählte mit seinem Schnabel gerade irgendeine Nummer. Die runden Löcher der Zahlenscheibe erwiesen sich dabei wie für ihn erfunden. Telefonieren war Alexanders Leidenschaft. Er hatte es schon geschafft, in unbeaufsichtigten Augenblicken Anschlüsse in San Francisco und Stockholm zu erreichen, was Frau Breitschuh hinterher jedesmal eine ganz schöne Stange Geld gekostet hatte.
„Alexander!“ rief die Pensionsbesitzerin empört. „Du willst mich doch nicht ruinieren?“
Der Kakadu stellte seinen Federschopf steil in die Höhe, schien darüber betrübt zu sein, daß seine Besitzerin für sein Hobby so gar kein Verständnis hatte, und flatterte in seinen frisch geputzten Käfig.
Als Frau Elfriede Breitschuh zu Herrn Bissegger zurückkam, lag er immer noch genauso, wie sie ihn verlassen hatte, in dem breiten Korbsessel.
„Also, nun pusten Sie doch endlich heraus, was passiert ist“, sagte sie. „Hat sich Ihre Frau Mutter das Bein gebrochen oder...“
„Beinahe genauso schlimm“, unterbrach sie der Referendar. „Der ,Große Preis 1 ..
„Was ist denn ,Der Große Preis’, wenn ich fragen darf?“ wollte im selben Augenblick Chefredakteur Kubatz in seinem Büro erfahren. Er hatte den Hörer nach dem Ferngespräch aus Mainz längst wieder aufgelegt und inzwischen ein paar Mitarbeiter um sich versammelt.
„Ich bin leider ein eingefleischter Fernsehmuffel“, gab er zu. „Ich habe keine blasse Ahnung.“
„Eine der beliebtesten Sendungen“, bemerkte Fräulein Finkbeiner. „Als Journalist müßten Sie das eigentlich wissen!“
„Wie funktioniert eigentlich die Sache?“ fragte Herr Kubatz, ohne auf den Einwand seiner Sekretärin weiter einzugehen.
„Aus dem ganzen Land können sich Kandidaten melden, die auf irgendeinem Fachgebiet besonders bewandert sind“, erklärte Redakteur Hildesheimer. „Eine Auslosung bestimmt jedesmal, wer zu der Sendung nach Berlin eingeladen wird. Der bekommt dann ziemlich knifflige Fragen gestellt und kann eine ganze Menge Geld kassieren, wenn er Glück hat und richtig antwortet.“
„Aha“, bemerkte Chefredakteur Kubatz.
„Der Große Preis wird etwa jeden Monat gesendet, und dann hängen meistens so runde zwanzig Millionen Zuschauer an der Glotze“, fuhr Herr Hildesheimer fort. „Wenn nicht gleichzeitig im anderen Programm ein interessantes Fußballspiel übertragen wird“, schränkte er noch ein.
„Und beim nächstenmal ist ein Kandidat aus Bad Rittershude dabei“, überlegte der Chefredakteur so laut, daß es alle hören konnten.
„Ein ungeheurer Hammer“, mischte sich Fräulein Finkbeiner dazwischen.
„Sie meinen, eine ungeheure Sensation?“ vergewisserte sich Herr Kubatz.
„Das reicht für ein halbes Dutzend Schlagzeilen, und wenn sonst nichts passiert, kann unsere Zeitung davon glatte zwei Wochen leben“, trompetete Redakteur Hildesheimer begeistert.
„Ich fange an zu begreifen“, meinte Herr Kubatz. „Und aus dieser Ecke ist wohl auch der Anruf des Kollegen von der Pressestelle des Fernsehens zu verstehen.“ Er holte seine Pfeife heraus. „Jedenfalls sollten wir uns diesen Paradiesvogel unter den Nagel reißen. Wie heißt er überhaupt?“
„Bissegger“, antwortete Redakteur Hildesheimer. „Helmut Bissegger.“
„Na schön“, meinte Herr Kubatz. „Wir haben ja eine Woche Zeit. Da können wir den Herrn in aller Ruhe und scheibenweise in den nächsten Tagen verbraten.“
Der Mann, den sich die Bad Rittershuder Nachrichten nächstens vorknöpfen wollten, schlürfte inzwischen Schluck um Schluck von dem Kaffee, den ihm Frau Breitschuh in ihrer Küche aufgebrüht hatte. Er war heiß und dampfte noch.
„Was haben Sie als Fachgebiet angegeben?“ fragte Frau Elfriede Breitschuh in das Schweigen hinein. Sie hatte sich Herrn Bissegger gegenüber auf einem Stuhl niedergelassen und rauchte eine
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