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Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Titel: Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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aufdringlich, quengelte Herr Bertram, als er eine bestimmt sündhaft teure Flasche aufgeschraubt und an ihrem Duft geschnuppert hatte. Aber es kann ja nicht alles perfekt sein.
    Er hatte den Seidenanzug gewählt, als er durch den Korridor flanierte, um sich im Hotel und vorerst in der Halle umzusehen. Auf Schritt und Tritt liefen ihm die Herrschaften der Modewoche über den Weg, langbeinige Mannequins, dunkelgekleidete Verkäufer, Modeschöpfer mit phantastischen Locken und kleinen Brillanten in den Ohrläppchen. Der Lift war überfüllt wie ein Viehtransport, und als er an der Portiersloge seinen Zimmerschlüssel abgeben wollte, mußte er sich anstellen wie vor der Kasse eines Supermarktes am Wochenende. Die Hotelgäste und Besucher drängelten sich dicht nebeneinander und hintereinander.
    Die Portiers in ihren blauen Jacketts konnten einem leid tun.
    „Haben Sie noch Karten für die ,Fledermaus’ heute abend?“
    „Wann geht der nächste Flug nach Paris?“
    „Bitte meinen Zimmerschlüssel!“
    „Haben Sie meine New York Times besorgen können?“
    Das Dutzendgesicht betrachtete den Jahrmarktbetrieb durch seine getönten Brillengläser hindurch und schüttelte den Kopf. Unwillkürlich mußte er an den stillen Bad Rittershuder Kurpark denken. Aber mitten in dieser angenehmen Erinnerung färbte sich sein rosarotes Gesicht ganz plötzlich käseweiß, und seine Knie wurden weich.
    Drüben an der Rezeption stand Generaldirektor Dr. Glossner . Großgewachsen, schlank und das Haar sorgfältig gekämmt. Glücklicherweise zeigte er vorerst nur seine Rückseite, weil er mit Händen und Füßen auf den Hotelangestellten in seinem schwarzen Anzug einredete. Vermutlich flehte er ihn geradezu an, um noch ein Zimmer zu bekommen.
    Nichts wie weg, war der erste Gedanke, der in dem früheren Herrn Piepke aufblitzte. Der Boden unter seinen Schuhsohlen war plötzlich so heiß wie glühende Kohle.
    Selbstverständlich hat er seine Reise nach Hamburg unterbrochen, die Bahnpolizei eingeschaltet und auch die Kripo auf sein geklautes Gepäck gehetzt, schoß es ihm durch den Kopf. Und daß er hier im besten Hotel abzusteigen versucht, hätte ich mir an meinen dämlichen Fingern abklavieren können. In ein Mauseloch hätte ich mich verkriechen müssen, ich Rhinozeros.
    Endlich hatte er sich von seinem ersten Schreck erholt und dachte an Flucht. Er blickte rasch nach links und rasch nach rechts. Da kam ihm der Zufall zu Hilfe. Ein junger Mann balancierte ein riesiges Blumenarrangement, das wie ein Osterei in ein paar Meter Cellophan eingepackt war, vor sich her und durch die Menschenansammlung hindurch. Der Rosafarbene gesellte sich neben ihn und benutzte ihn als Deckung. Dabei konnte er hinter der durchsichtigen Verpackung auch weiterhin die Rezeption im Auge behalten.
    Und da passierte das Wunder.
    Der Empfangschef mußte Herrn Dr. Glossner vom Vorstand der OMNIA-Werke inzwischen davon überzeugt haben, daß selbst für ihn kein Zimmer mehr frei sei. Er machte noch eine Geste, die deutlich sein Bedauern zeigte, die Herren verabschiedeten sich, und dann drehte sich der Generaldirektor um.
    „Meine Nerven sind doch nicht mehr die besten“, murmelte der Mann mit der getönten Brille. „Das hätte mir nie und nimmer passieren dürfen.“
    Der vermeintliche Dr. Glossner war nämlich gar nicht Dr. Glossner .
    Es war lediglich ein Mann, der mit seiner Rückseite eine verteufelte Ähnlichkeit mit ihm hatte. Jetzt, als er auch seine Vorderseite zeigte, hatte er einen schwarzen Schnurrbart unter der Nase und ein Monokel im linken Auge. Sein Gesicht hatte mit dem Gesicht des Generaldirektors so wenig gemeinsam wie ein Auto mit einer Lokomotive. Er ging auf den Ausgang zu, und der Mann, der sich seit heute morgen Bertram nannte, konnte durch die Glasfront beobachten, wie ein Hausdiener das Gepäck des Fremden, das dieser etwas voreilig schon in der Hotelhalle deponiert hatte, hinter ihm her zu einem Taxi trug. Er stieg kurz darauf ein, um sich vermutlich zu einem anderen Hotel fahren zu lassen.
    Unser Mann mit dem Zimmerschlüssel Nr. 796 in der Hand stand noch genau drei Sekunden wie gelähmt und angewurzelt. Er konnte es einfach nicht fassen, daß ihn eine Täuschung derartig in Panik versetzt hatte.
    „Panik ist genau das einzige, was ich mir in meinem Beruf nicht leisten darf“, sagte er zu sich selbst. „Wäre es wirklich der Generaldirektor gewesen, und hätte ich ihn, ohne etwas zu unternehmen, nur angestarrt, so wie ich es getan

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