Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
hinter sich zu.
Was jetzt passierte, war die routinierte und fixe Arbeit eines Spezialisten, die Erfahrung voraussetzte, Begabung und Kaltblütigkeit.
Herr Bertram funktionierte wie eine Maschine. Er holte eine unscheinbare Messingdose aus seiner Hosentasche. Sie war mit einem besonderen Präparat gefüllt, einer Art Mischung von Wachs und Knetmasse. Im Handumdrehen und dennoch mit äußerster Sorgfalt verfertigte er von dem Zimmerschlüssel mehrere Abdrücke. Anschließend reinigte er ihn peinlich genau, schlich wieder zur Tür zurück, vollführte dasselbe Manöver mit Warten, Horchen und Hinausgehen. Auch diesmal hatte er wieder Glück. Weit und breit keine Menschenseele.
Er hätte sich selbstverständlich auch für eine Nacht hier einmieten können. Das wäre gefahrloser, aber auch teurer gewesen. Und vorerst konnte er sich mit seinem Startkapital noch keine großen Sprünge erlauben. Aber das alles würde sich ja sehr bald ändern. Vielleicht schon morgen oder in ein paar Tagen, wenn er seinen großen Coup gelandet hatte.
Als ein paar Minuten später der Hotelpage Oliver Krauße zurückkam, stand der Rosafarbene wieder völlig entspannt hinter dem Schreibtisch und packte die ausgebreiteten Akten in die Dr. Glossnersche Flugtasche zurück. „Die Zeit ist einfach zu kurz, und da ich die Papiere nicht in der richtigen Ordnung zurücklassen kann, nehme ich sie lieber wieder mit. Mein Chef ist ein Herz von einem Menschen, aber leider ein Pedant. Hast du die Zeitungen bekommen?“
„Den größten Teil“, erwiderte der uniformierte Junge nicht ohne Stolz.
„ Dunnerlittchen “, lobte Herr Bertram. „Das ist ja mehr, als ich zu hoffen wagte. Wenigstens können wir dem Herrn Generaldirektor seine geliebten Zeitungen auf den Schreibtisch legen. Besten Dank, Herr Krauße mit ß.“
„Sie bekommen noch acht Mark zurück.“
„Die darfst du behalten, mein Sohn“, sagte der Mann mit der getönten Brille lächelnd und fuhr dem Jungen über seine flachsblonden Haare. „Geld kann man immer brauchen.“
„Das stimmt allerdings“, feixte der Page. „Danke schön.“
„So, und jetzt schließt du hier wieder ab und bringst den Schlüssel zum Portier zurück.“
In der Halle bedankte er sich noch bei der Rezeption, produzierte ein möglichst gewinnendes Lächeln und verabschiedete sich für den Augenblick.
„Die gelben Rosen sind bereits im Anrollen“, bemerkte der junge Stellvertreter des Empfangschefs in lupenreinem Schwyzerdütsch.
Unser Mann in dem beigefarbenen Seidenanzug quittierte den Spaß mit einem amüsierten Lachen, wie es sich gehörte. Kurze Zeit später kletterte er am Ku’damm in einen der eiergelben zweistöckigen Omnibusse nach Neukölln.
Dort betrieb ein gewisser Eduard Krüger schon seit den zwanziger Jahren in einem Hinterhof seinen Altwarenhandel. Das Geschäft lag so halb unter dem Erdgeschoß. Eine ausgetretene Steintreppe führte zu der Ladentür hinunter.
Die niedrigen Lagerräume waren bis unter die Decke mit alten Möbeln vollgestopft. Bronzefiguren standen herum, abenteuerliche Segelschiffsmodelle, Petroleumlampen und kitschige Figuren aus Marmor.
Eduard Krüger hatte schneeweiße Haare, da wo er sie überhaupt noch hatte, war klein und trug eine Nickelbrille mit halben Gläsern. Er brauchte sie nur für die Dinge dicht vor seinen Augen. Deshalb guckte er immer nach unten, wenn er irgend etwas lesen oder in der Nähe genauer betrachten wollte.
Als er jetzt seinen Besucher vom Hof heruntersteigen sah, hob er den Kopf an und fixierte über die gläsernen Halbmonde hinweg unseren Mann mit dem Durchschnittsgesicht. Dabei zeigte es sich, daß die Augen des Altwarenhändlers noch ganz klar waren und fast so lebhaft wie bei einem Jüngling.
„Theo, ich denke, ich kipp’ aus den Latschen, als du mich angerufen hast“, rief Herr Krüger und kicherte. „Unser fixer Theo ist wieder an der frischen Luft. Ich hab’ es zuerst gar nicht glauben können und war richtig gerührt. Gesund siehst du aus, und in Schale bist du wie der feinste Pinkel im Film.“
Schon wenige Minuten später und nach zwei gemeinsamen Schnäpsen kam unser ganz und gar rosafarbener Mann, den die Berliner Ganoven offensichtlich unter dem Spitznamen „fixer Theo“ kannten, zur Sache. Der Altwarenhändler kramte schließlich eine Lupe aus seiner Schreibtischschublade und prüfte die Schlüsselabdrücke eine ganze Zeitlang.
„Ist doch kein Problem für dich, Ede?“ fragte der beigefarbene Seidenanzug
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