Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Titel: Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
gleichfalls ledernen Sesseln. „Auch ausgesprochen passend. Wir haben heute abend nämlich eine Konferenz und befürchteten, daß wir uns noch nach einem entsprechenden Raum umsehen müßten.“ Er hatte inzwischen damit angefangen, die mitgebrachten Akten nach irgendeinem Phantasiesystem zu sortieren, öffnete die piekfeine Flugtasche und kramte einen weiteren Schwung Papiere heraus. Er wirkte so, als sei er momentan geistig völlig abwesend. Aber plötzlich sagte er, ohne aufzublicken: „Du könntest mir eigentlich einen Gefallen tun, Oliver. So heißt du doch, wenn ich richtig gehört habe?“
    „Oliver Krauße“, antwortete der Junge mit der verwuschelten Mähne.
    „Krause“, wiederholte der rosafarbene Mann hinter dem Schreibtisch. „Der alte Berliner Adel.“
    „Immerhin Krauße mit ß“, grinste der Page in seiner grünen Uniform und überlegte dabei, was vor ihm schon eine Menge anderer Leute gedacht hatten: Dieser Mensch sieht aus, wie aus Marzipan gemacht.
    „Du treibst bestimmt Sport?“ fragte Herr Bertram, ohne aufzublicken, und damit hatte er bei dem Jungen allerdings mitten ins Schwarze getroffen. Oliver war nämlich Amateurboxer und träumte davon, eines Tages einmal ein bekannter Profi zu werden. Sooft es möglich war, goß er Milch in sich hinein, kam jeden Morgen, die Fäuste in Brusthöhe, ins Hotel gelaufen und verzichtete, wann immer es ging, auf den Lift, um zum ständigen Training über die Treppen zu jagen. Dabei nahm er immer gleich ein paar Stufen mit einem Sprung.
    „Ja, ich boxe so ein bißchen“, antwortete Oliver.
    „Man sieht deine Muskeln sogar durch die Uniform“, bemerkte der Mann mit der getönten Brille freundlich.
    Er hatte inzwischen damit begonnen, die Namen von ausländischen Zeitungen auf ein Stück Papier zu notieren. „The Guardian“, „The Sunday Times“, „ Corriere della sera “.
    Als er mit dem Schreiben fertig war, reichte er den Zettel über den Tisch und holte zwei Zwanzigmarkscheine aus der Innenseite seines Seidenjacketts.
    Oliver buchstabierte und las vor sich hin: „Da wäre noch ,Le Figaro’, ,France Soir ’, ,Financial Times’, du meine Güte, die zwei letzten Namen kann ich gar nicht lesen.“
    „Das sind jugoslawische Zeitungen.“
    „Damit muß ich aber zum internationalen Kiosk an der Joachimstalerstraße . Mit dieser Liste bin ich an unserem Zeitungsschalter in der Halle geliefert.“
    „Es wäre sehr freundlich, wenn du dich beeilen würdest. Ich muß nämlich möglichst schnell wieder los“, meinte Herr Bertram. „Und wenn du nicht sämtliche Blätter bekommst, ist es auch kein Beinbruch.“ Er gab dem Jungen die zwei Geldscheine. „Das ist für die Zeitungen.“ Anschließend drückte er dem Pagen noch zwei Fünfmarkstücke in die Hand. „Und das ist für dein persönliches Konto.“
    „Besten Dank“, sagte der flachsblonde Oliver Krauße strahlend. „ Is jebongt , ich bin wieder zurück, bevor Sie zweimal gehustet haben.“ Er galoppierte los und machte dabei die Tür hinter sich zu.
    Der Rosafarbene wartete eine Weile, ohne sich zu rühren. Dann holte er tief Luft und war jetzt bis in die Fingerspitzen so konzentriert wie ein Zirkusartist, bevor er aufs Drahtseil klettert.
    Er stand auf und schlich in langen Schritten an die Tür. Dort blieb er stehen, rührte sich wieder nicht mehr und horchte nur zum Korridor hinaus. Von einem entfernten Staubsauger abgesehen, war nichts zu hören.
    Wenn der Mann mit der getönten Brille jetzt ganz vorsichtig und langsam auf die Klinke gedrückte hätte, würde er bei jedem, der die Bewegung zufällig erspähte, ganz selbstverständlich Verdacht erweckt haben. Und mit irgendwelchen Beobachtern mußte man in Hotelkorridoren immer rechnen. Sie hatten die Angewohnheit, oft stundenlang vollkommen leer zu sein, bis dann wie aus heiterem Himmel ein Etagenkellner um die Ecke bog, ein Zimmermädchen daherkam oder ein Hotelgast. Die dicken Teppiche verschluckten ihre Schritte so, daß sie plötzlich ohne Vorankündigung wie Geister auftauchen konnten.
    Herr Bertram benahm sich also ganz unauffällig und tat so, als würde er die Bellevue-Suite verlassen wollen. Kaum hatte er jedoch festgestellt, daß in dem langen Gang weder links noch rechts irgend jemand zu entdecken war, handelte er blitzschnell. Er zog den Sicherheitsschlüssel mit dem metallenen Hotelanhänger, in dem die Zimmernummer eingraviert war, aus dem Schloß, trat in den luxuriösen Wohnraum zurück und machte die Tür wieder

Weitere Kostenlose Bücher