Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch
früh.
Nella saß mitten auf dem verdreckten Bäckereiboden und hatte die Arme erwartungsvoll in die Luft gereckt, als ob sie umarmt werden wollte. Oder ein Stück Kuchen haben wollte.
»Meine Familie hat ein Zauberbackbuch!«, schrie sie. »Wir bewahren es im Kühlraum auf! Rose hat den Schlüssel dazu!«
Rose hielt ihrer Schwester ein Stück von dem lockeren, graurosafarbenen Zeug hin, und Nella verschlang es in zwei großen, krümelnden Bissen.
Auf der Stelle hörte sie mit ihrem Geplapper auf. Und sie sah Rose auch plötzlich nicht mehr in die Augen. Sie starrte einfach an ihr vorbei.
»Nella? Alles in Ordnung?«, fragte Rose.
Nella nickte, wobei sie immer noch in die Ferne starrte, dann kroch sie langsam durch die Küche und die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
»Wo geht sie hin?«, fragte Basil.
Rose folgte ihr nach oben und sah, wie Nella ins Bett kroch, ihr Marienkäfernachtlicht anmachte und die Decke bis ans Kinn zog. Stumm lag sie da und schloss die Augen.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Rose wieder. »Pimpinella?«
Doch Nella schnarchte bereits. Es war ganz untypisch für sie, mitten am Tag ins Bett zu gehen, ohne Abendessen. Aber schließlich hatte sie ja gerade ein ganzes Stück Kuchen gefuttert.
Im Flur traf Rose auf Mrs Carlson, die verkündete: »Da die Kleine ja schläft, mache ich auch ein Nickerchen. Viel zu viel Aufregung heute, das ist nicht gut für meinen Blutdruck. Der Preisboxer und das Supermodel sind ja auch sicher bald zurück. Die können sich um den Dreck da unten kümmern«, sagte sie. »Ihr seid eine merkwürdige Familie. Das weißt du doch, oder?«
Rose nickte, und Mrs Carlson sagte nichts weiter, sondern humpelte langsam davon.
Draußen im Garten packten Tymo und Basil Teller mit Kuchen auf den kleinen roten Leiterwagen, den ihr Vater in der Garage untergebracht hatte. Rose erinnerte sich an die Zeit, als ihr Vater sie und Tymo darin zu Besorgungen durch die Stadt gezogen hatte. Jetzt nahm ihn Tymo, um den Zauberkuchen zu verteilen, mit dem ihre Eltern bestimmt nicht einverstanden gewesen wären.
»Ich weiß nicht, ob der Kuchen wirklich gut ist«, sagte Rose. »Nella hat komisch darauf reagiert. Sie ist ins Bett gegangen.«
»Gut«, sagte Tymo, »dann müssen wir uns um sie erst mal nicht kümmern.«
»Aber ist das nicht ein bisschen seltsam?« Rose hatte die Sorte Bauchgrummeln, die ihr normalerweise signalisierte, dass sie mit dem, was sie tat, aufhören und es sich noch einmal durch den Kopf gehen lassen sollte. Der Kuchen hatte die Mädchen dazu gebracht, wie Roboter abzuziehen, und Nella war einfach eingeschlafen. War das gesund? Der Kuchen sah auch nicht aus wie die anderen Kuchen und Törtchen, die sie sonst so nach den Rezepten aus dem Zauberbackbuch backten, und er enthielt schwarze, ölige Tränen von einem Hexer. War es wirklich die richtige Lösung gewesen? Am liebsten hätte Rose ihre Eltern angerufen und gefragt. Aber das ging natürlich nicht.
»Erzähl mir jetzt nicht, wir hätten das alles vergebens gemacht«, regte sich Tymo auf. »Nichts da, ich kümmere mich jetzt persönlich darum, dass jeder in der Stadt ein Stück von dem blöden Kuchen isst.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Rose, wir müssen die Stadt wieder zur Normalität zurückführen, ehe Mom und Dad wiederkommen.«
»Na ja … du hast ja recht«, sagte Rose und gab sich optimistisch. Sie wollte Tymo gegenüber keine Schwäche zeigen. »Es klappt bestimmt.«
Tymo nestelte einen Stadtplan von Calamity Falls aus seiner Hosentasche und ging los. Den Leiterwagen zog er hinter sich her. »Das dauert ungefähr … siebzehn Stunden«, sagte er unwirsch und zog den Wagen die Einfahrt entlang und auf die Straße hinaus. Rose und Basil blieben allein im Garten zurück. Sie gingen in die Küche und stießen beide einen Seufzer aus.
Jetzt blieb nur noch die Sache mit der Unordnung.
Da war nicht nur der verwüstete Verkaufsraum, den sie nach der Kuchenschlacht der Bibliothekarinnen noch nicht zu putzen geschafft hatten, sie hatten außerdem noch die Küche völlig verdreckt. Vierundvierzig schmutzige Kuchenformen türmten sich in wackeligen Stapeln im Spülbecken; angetrocknete Klumpen des graurosafarbenen Teigs klebten an der Teigschüssel und auch an den Wänden und Schranktüren. Und Rose hatte keine Ahnung, was das für farblose Pfützen auf dem Boden waren – Wasser, Eiweiß, Schweiß oder womöglich die Konservierungsflüssigkeit des Hexerauges?
Ganz zu schweigen von dem
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