Die Glücksparade
und die billigere Cola. Eigentlich komisch.»
Als wir weiterfuhren, nahm ich seine Sonnenbrille aus dem Handschuhfach und setzte sie auf. Mein Vater grinste, und ich konnte mir denken, weshalb, aber ich behielt die Brille trotzdem auf. Durch die getönten Gläser bekam die Welt einen Braunstich. Sie verdunkelten die Straßen, die Ampeln, die Friseurläden, den Billigheimer, das leerstehende Kino und die Spielhalle, die jungen Mütter mit ihren Kinderwagen, die alten Frauen in ihren dicken Strümpfen und klobigen Schuhen, die Familien mit ihren ausgebeulten Plastiktüten, und irgendwie stellten sie all das auch schärfer. Ein Lastwagen hatte in der zweiten Reihe gehalten und den Verkehr zum Stehen gebracht, sodass ich genug Zeit hatte, mir alles anzuschauen. INFERNO MEGASTORE stand in gelben Buchstaben auf rotem Grund über einem Laden. In der Einfahrt daneben rauchte eine Frau, neben ihr lag eine unbekleidete Schaufensterpuppe auf dem Boden. Ich sah dem Betrieb auf den Straßen zu und sagte mir, dass ich nichts davon vermissen würde, wenn es von einem Tag auf den anderen verschwände.
Mein Vater war schweigsam und in Gedanken versunken, bis die Stadt hinter uns lag. Dann stieß er mich an.
«Das war einmal», sagte er und zeigte nach vorn. Er meinte die Papierfabrik, deren zwei lange, hohe Hallen hinter den Kastanienbäumen der Allee auftauchten. Ich rutschte in den Sitz, die Knie gegen die Ablage gestemmt, und kurbelte die Scheibe nach unten. Als wir an der Fabrik vorbei waren und mein Vater Gas gab, knatterte der Wind so laut, dass wir schreien mussten, um uns zu unterhalten.
Weil wir eine falsche Abfahrt nahmen, brauchten wir länger als ursprünglich gedacht, um den richtigen Bauernhof zu finden. Den zerfledderten Straßenatlas auf dem Schoß, versuchte ich herauszubekommen, wo genau wir waren, während wir zwischen breiten Hoftoren, Kirchen und geduckten Häusern durchfuhren, schließlich wieder durch Waldstücke, in denen die hohen Bäume die Sonne schluckten, und dabei erzählte mein Vater, er habe sich vor langer Zeit vorgestellt, hier als Forsthelfer sein Geld zu verdienen und gleichzeitig billig an ein Bauernhaus zu kommen, das er dann selbst wiederhergerichtet hätte. Er erwähnte seine erste Frau nicht, aber ich wusste auch so, von welcher Zeit er sprach. Er sagte, die Bauern seien in diesen Jahren gestorben wie die Fliegen, und damit meinte er, dass immer weniger Höfe noch bewirtschaftet wurden.
Als wir ankamen, war es bereits Nachmittag. Noch während wir an einer Mauer nach einem Schild suchten oder nach einem anderen Hinweis darauf, dass wir das richtige Tor gefunden hatten, kam ein Mann auf das Auto zu.
«Sind Sie Hundezüchter?», fragte mein Vater. «Dann sind wir verabredet.»
Der andere grunzte und schaufelte mit seinen muskulösen Armen Luft wie ein Schwimmer. Er gehörte zu den Menschen, die mein Vater für Idioten hielt, das konnte ich ahnen, kaum hatte ich ihn gesehen, mit seinen dicken Oberarmen, der Baseballmütze und dem BÖHSE ONKELZ - T -Shirt.
Hinter der Scheune gab es einen Übungsplatz mit Rampen, Hürden und Röhren und einer zerfetzten, fleckigen Couch, die einfach so dastand auf dem staubigen Boden. Dahinter lag ein umgepflügtes Feld und dahinter der Wald. Der Züchter stützte einen Fuß auf einen Balken des Gatters und wollte wissen, ob wir schon mal einen Hund gehabt hätten.
«Früher», sagte mein Vater. Es war nicht gerade gelogen, allerdings hatte er nur einige Wochen lang den Hund eines Kollegen gehütet, während der im Krankenhaus lag.
«Einen Setter», sagte mein Vater. «Wir haben ihn abgegeben, weil wir in die Stadt gezogen sind. War ein schönes Tier.»
«Dann wisst ihr ja Bescheid», sagte der andere.
Die Hunde waren im Stall. Sie saßen und lagen auf Stroh, in Verschlägen aus Latten und Maschendraht, meistens zu zweit oder zu dritt. Manche kläfften laut, als wir hereinkamen in das Halbdunkel, und einige richteten sich auf. Der Züchter strich an den Drahtverhauen entlang, ab und zu fasste er einem Hund durch die weiten Maschen grob ins Fell, zog ihn zu sich heran und grunzte. Er redete viel von
Leistungshunden
und davon, dass er alle seine Tiere selbst abrichten und trainieren würde und deshalb für jeden einzelnen seine Hand ins Feuer legen könnte. Für
jeden
, ohne Ausnahme. Mein Vater hörte zu und nickte.
«So einen Zwinger bräuchten wir auch», sagte er schließlich zu mir.
Die Luft hier drinnen war heiß und stickig, und es stank so stark
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