Die Glücksparade
– Das Urlaubsparadies für die ganze Familie
Auf einer idyllischen Insel inmitten unberührter Natur gelegen, bietet unser Campingplatz seit vielen Jahren Erholung für Groß und Klein. Stellflächen für Wohnmobile sind ebenso vorhanden wie großzügige Zeltplätze. Angler und Kanufahrer kommen am Fluss voll auf ihre Kosten. Im Sommer spenden die Bäume Schatten, und das Bild der auf dem Wasser vorüberziehenden Schiffe wird bei allen Gästen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Haustiere sind willkommen.
Als er fertig war, drehte er sich auf seinem Stuhl zu mir und beugte sich vor, um mir den Zettel zu reichen.
«Ich weiß nicht», sagte ich.
«Findest du es nicht gut?»
Ich zuckte mit den Schultern.
«Nun sag schon die Wahrheit.»
«Es stimmt nicht ganz. Es
klingt
gut, aber es ist nicht wahr.» Während ich das sagte, kam ich mir blöd vor.
Mein Vater grinste, aber sein Grinsen erlosch schon nach einem kurzen Moment wieder. Sein Mund sah jetzt hart aus.
«Du weißt doch, wofür es gut sein soll», sagte er, faltete das Blatt wieder zusammen und steckte es in seine Hemdtasche. «Wir stehen auf dünnen, morschen Brettern», sagte er sehr ruhig.
Wir sahen uns an, sein linkes Augenlid zuckte, und er wandte den Blick als Erster ab.
«Wenn wir dieses Zertifikat kriegen für den Platz, dann hänge ich es in einem Rahmen an die Wand», sagte er und zeigte auf den Kalender. Das Bild für diesen Monat zeigte eine Berglandschaft mit zackigen Gipfeln, blauem Himmel und tiefgrünen Almwiesen im Vordergrund. Er atmete tief durch, als hätte er gerade etwas Schweres getragen und wäre im Begriff, die nächste schwere Kiste anzuheben.
«Weißt du, was ein Monadnock-Zertifikat ist?», fragte er und redete gleich weiter. «Das ist so eine Lizenz für einen Schlagstock. Monadnock ist die Firma, die die Dinger herstellt, und die bietet auch Lehrgänge an, bei denen man lernt, wie man sie richtig benutzt. Dafür bekommt man am Ende einen Wisch. Ich weiß gar nicht, wo der ist, den könnte ich noch dazuhängen.»
«Das wusste ich gar nicht», sagte ich.
«Hab ich das nie erzählt? Ich musste so ein Trainingsseminar machen, als ich beim Wachdienst anfing. Fortbildung hieß das. Das ist ein paar Jahre her, vielleicht hast du’s vergessen.»
«Nein», sagte ich. «Daran könnte ich mich erinnern.»
«Jedenfalls», sagte er, «habe ich in diesem Seminar so einen Kerl getroffen, Anfang zwanzig, mit einer Tätowierung im Nacken, der hieß Sven und war eigentlich Monteur oder Installateur oder so was, wollte das aber nicht mehr machen. Der war unglaublich heiß auf diese Dinger, er hat sich aufgeführt, als wäre er ein Samurai. Es hat ihm wirklich Spaß gemacht. Ich meine
Spaß
, mit einem Schlagstock, das musst du dir vorstellen.»
Ich saß da und fasste unter den Hocker, und ich spürte, wie die Metallkanten mir in die Finger schnitten, während mein Vater weitersprach.
«Letzten Herbst ist er wiederaufgetaucht, in der Fabrik. Zuerst hat er für einen Sicherheitsdienst gearbeitet, der amerikanische Kasernen bewacht. Das machen die Amerikaner nämlich nicht mehr selbst, sondern die bezahlen Geld und lassen sich bewachen. Ich weiß nicht genau, was da passiert ist, aber nach ein oder zwei Jahren wollten sie ihn nicht mehr, und dann kam er zu Clavis. Die haben ihn in eine Spielhalle geschickt, wo es ständig Ärger gab. Da stehen Leute von morgens bis abends und zocken und verlieren nur, und dann rasten sie aus. Die sind süchtig, das hat sogar Sven kapiert.
Suchtkrüppel
hat er sie genannt. Einmal bekam er ein Verfahren wegen schwerer Körperverletzung, aber er ist freigesprochen worden. Es war Notwehr, hat er gesagt, denn der andere hatte eine Gaspistole. Offenbar kennt er jemanden in der Firma, sonst hätten die ihn sicher gefeuert. Aber so dachten sie, in einer Papierfabrik kann er nichts anstellen, weil da ohnehin niemand einbricht. Ich meine, wer klaut schon Klopapier. Außer mir.» Er lachte. «Dabei hat er, wenn ich mit ihm eingeteilt war, ständig davon geredet, was er tun würde, wenn er einen Einbrecher erwischt auf dem Gelände. Er hatte ein kleines Nunchaku in einer Hülle, die aussah wie von einem Regenschirm. Die ganze Nacht hat er damit rumgespielt, wirklich die ganze Nacht. Ich bin froh, dass das vorbei ist. Du nicht auch?»
«Ja», antwortete ich. Eigentlich wollte ich sagen, dass ich nicht froh sei, aber ich konnte es nicht.
Den Rückweg legten wir schweigend zurück. Ich ging zwei oder drei
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