Die Glücksparade
können, als erwarteten sie, dass aus dieser Richtung noch irgendetwas käme. Aber es kam nichts und niemand, nur die Triebe der Sträucher winkten im Luftzug wie lange Federn.
Carlo wollte danach nicht mehr in seinem Hänger bleiben. Noch ein paarmal verschwand er drinnen, um ganz sicherzugehen, dass nichts gestohlen worden war. «Was soll das?», fragte er, wenn er wieder draußen war. Dabei befühlte er das Türblatt und den Rahmen, immer wieder streichelte er mit einer Hand darüber, als wäre es ein verletztes Tier. Am frühen Nachmittag fuhr er ab. Mein Vater ging los und sprach mit allen Nachbarn, und als er wiederkam, kündigte er an, er werde einen Hund kaufen.
In der folgenden Woche kamen keine zahlenden Urlauber auf den Platz, nur einige von den Dauergästen. Es regnete zwei Tage und Nächte hintereinander so stark, dass unser kleiner Garten zu schwarzem Matsch zerfloss. Um Ostern herum hatten wir das Beet am Sockel des Containers in den Rasen gestochen und mit ein paar Brettern eingefasst. Mein Vater hatte Blumenerde gekauft und Gurkenpflanzen hineingesetzt und Salatsamen. Sie waren schon aufgegangen und hatten helle grüne Spitzen getrieben, jetzt sah ich sie oben auf der dunklen Masse liegen, und ihre dünnen weißen Wurzeln erinnerten mich aus irgendeinem Grund an Tintenfische. Am Donnerstag, als der Himmel etwas aufklarte, drückte ich sie zurück in die nasse Blumenerde, die sich weich anfühlte und zwischen den Fingern zerbröselte, doch eigentlich glaubte ich selbst nicht daran, dass sie wieder anwachsen würden.
In der Nacht riss mich ein lautes Krachen aus dem Schlaf. Ich wusste, dass ich nicht geträumt haben konnte, weil ich gleichzeitig eine Erschütterung gespürt hatte. Bevor ich ganz da war, dachte ich, ein Auto sei gegen den Container gefahren, doch dann hörte ich das gleiche Krachen noch einmal, hohl und metallisch und so laut, als würde etwas gleich neben mir durch die Wand brechen. Ich erschrak so sehr, dass ich einen Moment lang glaubte, in die Hose machen zu müssen. Ich hörte meinen Vater brüllen, sprang aus dem Bett und machte Licht. Mein Vater stand im Schlafanzug in der Küche.
«Zwei Typen», sagte er. «Die treten uns die Tür ein. Kannst du die Polizei rufen?»
Ich griff nach meiner Jeans, die neben meinem Bett auf dem Boden lag, und versuchte, mein Handy aus der Tasche zu fummeln, und dabei hatte ich wieder das Gefühl, als würde sich mein Bauch gleich entleeren. Ich hockte auf dem Boden, und dann brach der Bolzen des Schlosses aus dem Rahmen. Ein fremder Mann stand in unserem Container. Er hatte einen kahlen Schädel und einen Kinnbart, und er sah sehr jung aus, wie ein riesiges dickes Kind. Mein Vater hatte einen Stuhl gepackt, damit warf er sich dem Mann entgegen, und gleichzeitig schrie er. Der andere verlor das Gleichgewicht, aber er wich nicht zurück, sondern stürzte vornüber auf die Knie. Auch mein Vater lag jetzt am Boden, er schüttelte sich wie unter einem Krampf und trat mit dem bloßen Fuß nach dem knienden Mann. Er erwischte ihn erst in der Leistengegend und dann unterm Kinn. Sein Kopf zuckte zurück, aber er blieb stumm. Ich konnte nichts tun, ich wollte auch nach ihm schlagen, aber ich schaffte es nicht. Ich hatte noch nie eine richtige Schlägerei erlebt. In der Schule gab es oft Prügeleien im Klassenzimmer oder auf dem Hof, die damit endeten, dass jemand die Jungen oder Mädchen trennte, meistens ein Lehrer. Zwei- oder dreimal war die Polizei gekommen, und ich wusste von einem Streit, bei dem einer einem anderen mit der Gaspistole ins Gesicht geschossen hatte, doch niemand, den ich kannte, war dabei gewesen.
Der Mann sah mich an, sein Gesicht war eine Armlänge von meinem entfernt. Ich hob die Hände, um ihn von mir wegzustoßen, denn ich war mir sicher, dass er sich gleich auf mich stürzen würde. Doch er bewegte sich nicht. Mein Vater war wieder auf den Beinen, und er holte zu einem weiteren Tritt aus. Es war ein wuchtiger Tritt von oben, aber er war barfuß und rutschte ab, sonst hätte der mit dem Ziegenbart ihn wahrscheinlich in den Magen bekommen.
Ein zweiter Mann war plötzlich im Eingang aufgetaucht. Er packte den anderen am Arm und zog ihn zu sich.
«Verschwindet», brüllte mein Vater und trat nach den beiden.
Der, der zuletzt nach oben gekommen war, sprang von der Treppe ins Gras; der erste hielt sich am Türrahmen fest, er holte aus und traf meinen Vater mit der rechten Faust hart an der Schulter. Dann drehte er sich um und
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