Die Glücksparade
gefälligst nicht reinhängen. Paar Tage später hatten wir einen Auftrag. Der Chef fuhr mit uns raus, wir sollten eine Garage abreißen, musste alles ganz schnell gehen. Er hatte dem Typen sein Wort gegeben, dass das Ding bis zum Abend weg ist. Haut rein, Männer, hat er gesagt, und ist abgefahren.»
Er machte wieder eine Pause, in der er seine Flasche in langen Zügen bis unterhalb des Etiketts leerte. Wir sahen ihm beim Trinken zu und warteten ab.
«Und da hab ich zum Kollegen gesagt: Hier ist mein Hammer. Gib ihn dem Chef und sag ihm, ich bin weg.»
Erik strahlte. Es war ihm anzusehen, wie sehr ihm diese Geschichte gefiel und dass er es genoss, hier zu sein, und ich merkte, dass ich mich auf eine komische Art stolz fühlte und auch erleichtert. Mir gefiel Bubis Geschichte auch. Was sie gut machte, war, dass sie an diesem Punkt einfach aufhörte. Was danach kam, gehörte nicht mehr dazu.
Ich schaute ihn an und sah das Weiße in seinen leicht geröteten Augen, aber er schien mich nicht richtig wahrzunehmen, und wie er über meinen Kopf und an mir vorbeischaute, hinderte mich daran, ihn heute endlich danach zu fragen, was es mit dem Boxen auf sich hatte. Ich ließ mich zurücksinken und versuchte, alles zu vergessen, was hier sonst den ganzen Tag vorging, und gleichzeitig wünschte ich mir, der Abend wäre schon vorbei. Ich spürte, wie der Alkohol meine Schultern weich machte, und ich hatte das Gefühl, als würde alles langsamer. Auf dem Fluss schob ein Schiff einen breiten weißen Kegel vor sich her. Viel weißer war das Licht als bei einem Auto, und es reichte von einem Ufer zum anderen.
Irgendwann kam mein Vater mit einer Flasche Bier an unseren Tisch. Petra folgte ihm. Klaus rief hinter ihr her, sie laufe gerade zum Feind über.
«Frau, dein Name ist Schwäche, oder wie geht das», sagte Horst, und beide lachten.
Petra blieb stehen, verschränkte die Arme unter dem Busen und sagte etwas, was ich nicht richtig verstand.
«Worüber sprecht ihr gerade?», fragte mein Vater, obwohl er bemerkt haben musste, dass schon lange keiner mehr etwas gesagt hatte. Bubi hustete sich mit einem knatternden Geräusch die Kehle frei.
«So dies und das», sagte er.
«Ach so», sagte mein Vater.
Petra hatte sich neben mich gesetzt, die Handflächen auf die Bank gestützt. Auch im Dunkeln konnte ich ihre langen, lackierten Fingernägel erkennen.
«Was sind das eigentlich für Nummernschilder an deinem Wagen?», fragte mein Vater.
«Die waren schon dran», sagte Bubi. «Hat mein Kollege gesammelt und mitgebracht aus den Staaten, als er mal drüben war. Der wollte unbedingt nach Nashville.»
«Selbst mal da gewesen?», fragte mein Vater.
Bubi schwenkte seine Bierflasche, wohl um zu hören, ob noch etwas drin war, trank und schüttelte den Kopf.
«Ich wollte früher immer nach Alaska», sagte er schließlich.
«Warum das denn?», sagte Petra. «Da ist doch nichts los, nur Eis und so.» Bubi grinste, aber er sah nicht verärgert aus.
«Lachse fangen. Das wollte ich. Da soll es riesige Lachse geben.»
«Ja», sagte mein Vater. «Das hab ich auch gehört. Aber früher gab’s hier auch mal welche. Vor hundert Jahren.»
Bubi nickte unbestimmt, nicht als wollte er bestätigen, was mein Vater gesagt hatte, sondern mehr um seine Worte zu begleiten.
«Da hätten wir mittags nur die Angel ins Wasser zu halten brauchen», sagte mein Vater. «Das wär nicht schlecht gewesen, oder?»
«Wo sind die denn hin, die Lachse?», sagte Petra.
«Die sind übern Jordan», sagte mein Vater und lachte. «Weil das Wasser jetzt zu warm ist. Da hab ich mich mal erkundigt, wegen der Angler. Und weil die Leute immer wissen wollen, ob man hier schwimmen kann.»
«In dieser Dreckbrühe?», fragte Petra.
Er nickte. «Aber damals», sagte er dann, «gab es so viele, dass die Besitzer von den Fabriken ihren Leuten nicht öfter als dreimal die Woche Lachs vorsetzen durften.»
Petra schien zu überlegen, ob das ein Witz sein sollte.
«Ihr wollt mich auf den Arm nehmen», sagte sie. Mein Vater widersprach, und sie schaute Bubi an. «Stimmt das?», fragte sie ihn.
«Weiß ich nicht», sagte Bubi.
«Ich
glaub
das nicht», sagte sie ziemlich scharf. «Ich lass mich doch nicht verarschen.»
Ich merkte, dass mein Vater nichts unternahm, um einzulenken oder um sie zu beruhigen, sondern nur dasaß und die Schultern sinken ließ. Er rieb sich das Kinn und verdeckte so seinen Mund. Ein knirschendes Geräusch kam vom Nebentisch, dort war Lorna
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